Elefantenjagd als Illusion vom Artenschutz | Terra-X-Kolumne

    Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Elefantenjagd hilft dem Artenschutz nicht

    von Mona Schweizer
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    Botswana gilt mancherorts als Land "mit zu vielen Elefanten". Präsident Masisi erlaubt die Jagd, wollte schon welche an Deutschland verschenken. Doch das Problem ist komplexer.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Mona Schweizer

    Botswanas Elefantenbestand ist der größte in Afrika. In Medienberichten wird Botswana immer wieder als Land mit "zu vielen Elefanten" dargestellt. Es wird behauptet, dass der Bestand in den letzten Jahren stark angestiegen oder sogar "explodiert" sei.
    Untersuchungen zeigen, dass die Zahl der Elefanten in Botswana seit 2010 stabil bei etwa 130.000 Tieren geblieben ist. Neueste Erhebungen belegen, dass die Populationszahlen in geschützten Gebieten zunehmen, während sie in Jagdgebieten abnehmen.

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Besorgniserregend ist die kontinuierlich gestiegene Sterblichkeitsrate seit 2010, deren Ursache ungeklärt ist. Mögliche Gründe könnten ein Anstieg der Wilderei, Dürre und Krankheiten sein. Die Population der Savannenelefanten Afrikas ist mit einem Rückgang von 60 Prozent in 50 Jahren stark gefährdet.

    Die Illusion der ökologischen Tragfähigkeit

    Eine von Botswanas Regierung genannte Zahl für die angebliche "ökologische Tragfähigkeit" von 54.000 Tieren bezeichnen Experten als "hypothetisch" und "spekulative Aussage", denn Elefantenpopulationen regulieren sich vor allem durch die Verfügbarkeit von Wasser und Futter. Gerade das Habitat von Savannenelefanten unterliegt starken saisonalen Veränderungen und wechselnden Umweltbedingungen.
    Ihre natürliche Migration, auch über Ländergrenzen hinweg, verhindert dabei eine Übernutzung der Lebensräume. Entsprechend kann keine fixe Anzahl an Tieren festgelegt werden, welche für einen natürlichen Lebensraum tragbar sind. Eine umfassende Studie von 2021 ergab, dass Afrika wesentlich mehr Lebensraum für Elefanten bietet, als derzeit von ihnen besiedelt wird.

    ... ist promovierte Biologin und arbeitet für die Artenschutzorganisation Pro Wildlife in München mit Schwerpunkt zum Thema Trophäenjagd. Ihr Fokus liegt auf der fachlichen Aufklärung in der Öffentlichkeit und Politik sowie Projekten zur Koexistenz von Mensch und Tier in mehreren afrikanischen Ländern. Ihr Ziel: Wildtiere in ihren natürlichen Ökosystemen erhalten. Obwohl sie viel Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz benötigt, empfindet sie ihren Einsatz für den Artenschutz als Privileg.

    Natürliche Lösungen können Konflikte vermeiden

    Konfliktpotential besteht vor allem dort, wo Lebensräume von Elefanten durch menschliche Aktivitäten fragmentiert oder Wanderrouten unterbrochen werden und Elefanten keinen freien Zugang zu Wasser- oder Futterquellen haben oder nicht abwandern können. Verbindungskorridore ermöglichen Elefanten, menschliche Siedlungen oder landwirtschaftliche Flächen zu meiden.
    Die Beibehaltung natürlicher Wanderrouten und die Vermeidung von Hindernissen verringern die Gefahr, dass Elefanten in Gebiete eindringen, in denen sie Ernten, Menschenleben oder die Infrastruktur schädigen können.
    Ein Elefant steht im Wasser.
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    Elefanten als wirtschaftliches Gut

    Auch unsere Bundesregierung fördert im südlichen Afrika den Schutz der Artenvielfalt in erheblichem Umfang. Gleichzeitig dürfen Elefanten und andere bedrohte Wildtiere, die auch mit deutschen Steuergeldern geschützt werden, von ausländischen Jagdgästen getötet werden - das ist abstrus. Botswana hat die Jagd 2019 wieder erlaubt - angeblich, um Einnahmequellen für die Menschen in ländlichen Gebieten zu schaffen.
    Im Vergleich zum Safari-Tourismus spielt der Jagdtourismus wirtschaftlich eine marginale Rolle. Er erwirtschaftet nur einen Bruchteil der Einnahmen und schafft auch nur wenige, häufig saisonale Jobs. Trophäenjagd ist ein gutes Geschäft für Jagdreiseanbieter, Jagdfarmbesitzer sowie lokale Eliten, also in der Regel wenige Einzelpersonen. Die Menschen in den lokalen Gemeinden hingegen gehen häufig leer aus. Einheimischen ist die Jagd auf Elefanten in aller Regel verboten und wird häufig streng geahndet.

    Warum Jagdtourismus keinen Nutzen für den Artenschutz hat

    Ziel dieser Jagd ist die Erlangung der Trophäe als Statussymbol. Besonders die großen, gesunden, meist männlichen Tiere mit imposanten Stoßzähnen sind im Visier. Diese Tiere sind meist Schlüsselindividuen der Populationen, mit guten genetischen Anlagen, die überproportional zur Reproduktion beitragen und damit essenziell für die Arterhaltung sind.
    Damit ist Trophäenjagd eine besonders schädliche Form unnatürlicher Selektion. Darüber hinaus nehmen diese Individuen häufig wichtige Positionen im Sozialgefüge ein. Ihre Eliminierung beeinträchtigt die soziale Ordnung und ist ein Verlust von Erfahrung und Orientierung.
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    Ganzheitlicher Artenschutz für Mensch und Tier

    In Anbetracht der globalen Biodiversitätskrise müssen wir konsequenten Artenschutz betreiben, wenn wir unsere Artenvielfalt auch für zukünftige Generationen erhalten wollen. Um es auf den Punkt zu bringen: Botswana hat keine zahlenmäßige Überpopulation, sondern ein Verteilungsproblem, dem mit der Vernetzung von Schutzgebieten durch sichere Migrationskorridore zur natürlichen Abwanderung Abhilfe geschaffen werden kann.
    Trophäenjagd löst keine Mensch-Wildtier-Konflikte, sondern führt eher zu einer Verschärfung und leistet weder einen Beitrag zum Artenschutz noch zu einem menschenwürdigen Auskommen für die lokale Bevölkerung.
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