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Was bringt das deutsche Lieferkettengesetz?

Hintergründe zur heute-show vom 30.04.2021

Hintergründe zur heute-show vom 30.04.2021
Quelle: ZDF/PA

Es soll bei der Einhaltung der Menschenrechte, der Eindämmung von Kinderarbeit und Hungerlöhnen weltweit helfen: Das Lieferkettengesetz der Bundesregierung. Deutsche Unternehmen sollen damit verpflichtet werden, dafür zu sorgen, dass bei ausländischen Lieferanten vor Ort soziale und ökologische Mindeststandards eingehalten werden. Das Gesetz soll ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden und ab 2024 für Unternehmen mit mehr als 1000 gelten. Das Bundeskabinett hatte den Gesetzentwurf am 3. März verabschiedet, im Bundestag wurde im April darüber debattiert.

Mitte Februar haben Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) den Entwurf zum Lieferkettengesetz in einer Pressekonferenz vorgestellt. Neben Hubertus Heil gilt vor allem Gerd Müller als entschiedener Befürworter des Gesetzes. Er betonte bei dem Termin etwa, dass die Bedeutung des Lieferkettengesetzes über Deutschland hinausgehe: „Es stößt eine Debatte in Deutschland und in Europa an über die Zukunft der Globalisierung, über eine gerechte Globalisierung.“ Müller hatte das Ziel, dass Unternehmen für Verstöße gegen Menschenrechte innerhalb der Lieferketten auch zivilrechtlich haften müssen – dies wurde in dem aktuellen Beschluss allerdings nicht so umgesetzt.

Die Initiative Lieferkettengesetz – der über 100 zivilgesellschaftliche Organisationen angehören – bemängelt, dass der Gesetzentwurf geltende Menschenrechtsstandards der UN und der OECD unterläuft. Die Sorgfaltspflichten von Unternehmen würden abgestuft, denn in vollem Umfang „sollen sie nur für den eigenen Geschäftsbereich und die direkten Zulieferer gelten“. Die Initiative will zudem, dass Betroffene auch vor deutschen Gerichten Entschädigung einklagen können, wenn ein Unternehmen seinen menschenrechtlichen Pflichten nicht nachgekommen ist. Die Initiative will zudem nicht, dass ein deutsches Lieferkettengesetz „hinter internationale Standards“ zurückfalle. Sie ruft deshalb auf, sich im parlamentarischen Prozess dafür einzusetzen und eine Mail an den/die jeweilig zuständige/n Abgeordnete/n zu schicken („Lieferkettenbrief“).

Mit einer großen Gegenkampagne haben wiederum deutsche Wirtschaftsverbände in den vergangenen Monaten versucht, den Entwurf für das Lieferkettengesetz aufzuweichen. Die daran Beteiligten und den genauen Ablauf zeigt eine Kurzstudie des Global Policy Forums gemeinsam mit Misereor und Brot für die Welt sehr anschaulich. Wie die ursprünglichen Regelungen aufgeweicht wurden, wird anhand von Lobbydokumenten deutlich, die die Initiative nach Anfragen auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes erhalten hat und die das Portal fragdenstaat.de veröffentlicht hat.

Besonders der Wirtschaftsrat der CDU arbeitet sich stark am Lieferkettengesetz ab und versucht, es zu verhindern oder wenigstens zu verwässern. Im Februar noch rief er die Unionsfraktion dazu auf, „dieses Vorhaben“ zu stoppen: „Mitten in der Corona-Krise arbeitet die SPD stur ihre linksideologischen Themen ab, während zahlreiche Unternehmer Existenzängste haben.“ Was ist der Wirtschaftsrat überhaupt für eine Vereinigung? In dem Verzeichnis „Lobbypedia“ der Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol.org steht dazu: „Der Wirtschaftsrat ist kein Gremium innerhalb der Partei, sondern ein Berufsverband von unionsnahen Unternehmer:innen mit rund 12 000 Mitgliedern. Eine Parteimitgliedschaft in der CDU ist keine Voraussetzung für eine Mitgliedschaft im Wirtschaftsrat.“ Der Wirtschaftsrat sei, so heißt es immer wieder, ein einflussreicher Lobbyakteur, der durch seine prominenten Mitglieder enge Beziehungen in die Politik besitze.

Auch das ARD-Magazin Monitor hat sich mit der Lobbyarbeit der Wirtschaftsverbände und ihrem „starken Verbündeten“, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, beschäftigt. Sie zeichnen detailliert nach, was bis dato wurde aus dem wichtigen Ziel der weltweiten Geltung der Menschenrechte.

Rana Plaza wurde zum Synonym für alles, was in der Bekleidungsindustrie und den großen Ketten schieflief: Der Fabrikkomplex in Bangladesch war am 24. April 2013 unter dem Gewicht mehrerer illegal aufgestockter Etagen eingestürzt. Über 1100 Menschen wurden dabei getötet, darunter vor allem Frauen. Die Katastrophe zeigte die schlimmen Zustände in den Textilfabriken des südasiatischen Landes und löste eine Debatte über die Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten aus – mehrere westliche Kleidungsfirmen hatten dort Ware produzieren lassen. Die FAZ schreibt: „Seit dem Tag vor acht Jahren hat sich nichts und alles verändert. Die Mehrzahl der Kleidungsstücke ist weiterhin so günstig, dass es vielen schwerer fallen dürfte, sie im Laden liegen zu lassen, als sie zu kaufen.“ Laut Greenpeace legen sich deutsche Kunden im Durchschnitt sechzig Kleidungsstücke im Jahr zu und tragen sie nur noch halb so lang wie vor 15 Jahren. Zwar habe der Einsturz von Rana Plaza vielen vor Augen geführt, wie dreckig günstige Mode sei. Aber wie es den Menschen gehe, die Mode fertigen, die ein bisschen teurer ist, das ist leider in vielen Fällen auch nicht transparenter.

Es geht um die Verhinderung solcher Unglücke wie in Rana Plaza aber auch um Ausbeutung in Minen in Brasilien und Kinderarbeit beim Thema Schokolade. So kann etwa keines der wichtigsten internationalen Schokoladenunternehmen in einer Befragung Schokolade ohne Armut und Kinderarbeit garantieren, so die Entwicklungsorganisation Inkota. Mondelez (Milka), Nestlé, Ferrero, Mars und Lindt landen bei ihrer Überprüfung deshalb nur im Mittelfeld. Unter den deutschen Schokoladenunternehmen schneidet Ritter Sport noch recht gut ab. Eine andere Studie zeigt ebenso erschreckende Zahlen: Demnach sind in den beiden größten Anbauländern Elfenbeinküste und Ghana, die rund zwei Drittel der weltweiten Ernte von Kakaobohnen erzeugen, rund 1,6 Millionen Kinder im Kakaoanbau tätig.

In einem Kommentar verweist die Frankfurter Rundschau auf aktuelle Zahlen: 75 Prozent der Menschen hierzulande sprechen sich in einer Umfrage von infratest dimap für ein wirksames Lieferkettengesetz aus. „Kirchen, große Kommunen und eine Vielzahl von Wirtschaftsfachleuten votieren dafür, ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis macht sich seit Jahren dafür stark. Auch Anleger:innen achten immer mehr auf die sozialen und ökologischen Folgen der Produktion von Firmen, in die sie Geld investieren.“ Und selbst eine große Zahl von Unternehmen wie Tchibo oder Rewe fordere offensiv eine gesetzliche Verpflichtung.

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