Kaum ein Wort in der Gaming-Landschaft ist so aufgeladen, kaum eine Debatte wurde so emotional geführt. Wer das Wort hört, denkt an "Counter Strike", an "Doom". Doch dahinter verbirgt sich mehr.
Computer- und Videospielen haftet seit 40 Jahren das Stigma der Gewalt an. Woher kommt das? Die gleichnamige ZDF-Dokumentation zeigt, wie die Debatte um "Killerspiele" entstand - und warum man heute so manchen Aufreger belächeln kann. ZDF sprach mit dem Autoren der Sendung.
ZDF: Wie hat sich die Diskussion um die Killerspiele in den vergangenen Jahren entwickelt?
Quelle: ZDF
Christian Schiffer: Die Frage, was Automaten und Computerspiele mit Blick auf die Gewaltdarstellung dürfen, wurde schon sehr früh diskutiert: Bereits 1976, also vor 40 Jahren, gab es zum ersten Mal ein Spiel, das eine Gewaltdiskussion hervorrief, also bereits im "Paläolithikum" der Computerspiel-Geschichte – erst vier Jahre zuvor hatte Atari mit Pong den ersten Videospielautomaten auf den Markt gebracht. Doch die Debatte verschärfte sich vor allem in den Nuller-Jahren: Der Amoklauf an der Columbine Highschool brachte das Thema 1999 weltweit in die Diskussion, weil die beiden Täter, zwei Schüler, auch mit dem Computerspiel "Doom" und "Quake" sehr vertraut waren. In Deutschland wurde die Rolle von Killerspielen nach dem Amoklauf von Erfurt 2002 öffentlich debattiert, als der 19-jährige Robert Steinhäuser in seiner ehemaligen Schule ein Massaker veranstaltete. Nach dem Amoklauf von Winnenden 2009 erreichte die Diskussion ihren Höhepunkt und die Frage stand im öffentlichen Raum: Sollten diese Spiele nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern sogar für Erwachsene verboten werden? Damals setzte allerdings auch eine argumentative Gegenbewegung ein – von den Gamern selbst, aber auch von Kulturinstituten initiiert: Der Deutsche Kulturrat nahm den Game-Bundesverband in seine Reihen auf und positionierte sich eindeutig gegen ein Verbot von sogenannten Killerspielen, weil er dadurch die Kunstfreiheit bedroht sah. Heute ist die Diskussion in den Hintergrund getreten, es gibt andere Probleme: Datenschutz in den sozialen Medien, Cybermobbing, Videos im Netz mit realer Gewalt.
ZDF: Hat demnach mittlerweile die Phase eingesetzt, in der Killerspiele differenzierter betrachtet werden können?
Christian Schiffer: Natürlich gibt es weiterhin Killerspiele, die militaristisch und gewalttätig sind, aber es gibt auch Killerspiele, die schon fast philosophisch daherkommen. Und es gibt mittlerweile die Walking Games, in der der Spieler in der Ego-Perspektive spazieren geht und gar nicht mehr geschossen wird. Die Frage, ob bestimmte Computerspieler dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche zu Killern werden können, konnte auch gar nicht klar beantwortet werden. In der Wirkungsforschung geht die Tendenz dahin, dass es einen solchen Zusammenhang in der direkten Form nicht gibt. Es wird keiner zum Killer, weil er Killerspiele spielt – da muss noch viel mehr zusammenkommen.
ZDF: Wie wurde denn vor 40 Jahre die erste Killerspiel-Gewaltdiskussion geführt?
Christian Schiffer: Mit ähnlichen Argumenten wie sie in der Debatte auftraten, die in den Nuller-Jahren in Deutschland geführt. Der Hersteller eines Videospiels, in dem Autos ineinander fuhren, hatte letzteres insofern verändert, dass die Autos nun durch Skelette ersetzt wurden. Durch diese Änderung wurde das Automatenspiel deutlich erfolgreicher und somit lukrativer für den Hersteller. Über diesen kleinen Hype gab es dann damals einen Bericht im US-amerikanischen Politmagazin "60 Minutes", in dem ein Psychologe sagte: Mit dem Spiel wird das Töten von Menschen eingeübt – eine Argumentation, die auch nach den Amokläufen von Erfurt und Winnenden zu vernehmen war.
ZDF: Welchen Aufbau wählt Ihre dreiteilige Dokumentation, um die Geschichte der Killerspiele zu erzählen?
Schristain Schiffer: Im ersten Teil, der am 6. Februar 2016 gesendet wurde, rückt die schon erwähnte Frühzeit der Video- und Computerspiele in den Blick. Wir schauen zum Beispiel auf Spiele, die damals von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften beanstandet wurden. In dem Spiel "River Raid", das 1982 auf den Markt kam, schießt ein Pixelflugzeug andere Pixelflugzeuge ab – das wurde damals als kriegsverherrlichend eingeschätzt, heute versteht man nicht mehr zwingend, was daran brutal sein soll. Damals wollte man nicht, dass Heranwachsende Krieg spielen. Auch "Doom", die Mutter aller Killerspiele, kam gut zehn Jahre später noch auf den Index der Bundesprüfstelle – auch das schildern wir in der ersten Folge. Im zweiten Teil geht es um die Killerspiel-Diskussion nach dem Amoklauf von Columbine bis zu dem Moment, in dem ein Killerspiel zum ersten Mal mit dem Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet wurde. Die dritte Folge schildert schließlich, wie sich die Killerspiele weiterentwickelt haben – auch Richtung Antikriegsspiele. Und es gibt einen Ausblick, wie Virtual Reality die Zukunft des Gamings verändern dürfte.
Das Interview führte Christian Hagedorn/ZDF