Der Freudentaumel war schnell verflogen: Jobverluste, Firmenpleiten und das Veröden ganzer Landstriche prägen das Nachwende-Empfinden im Osten bis heute. Hat die Treuhand versagt, oder war die schmerzhafte Abwicklung der DDR-Wirtschaft unvermeidlich?
Zerstörte Existenzen
"Uns wurde gesagt, dass unser Betrieb von der Treuhand übernommen wird und dass es sicher eine Möglichkeit gibt, wie der Betrieb weiter existieren kann", erinnert sich Antonia Kahlich. Doch dann erwischt es ihren Betrieb, VEB Elektroporzellan in Großdubrau, gleich am Anfang. Eine Sanierung sei aussichtslos, da das Werk fehldimensioniert und der Umsatz rückläufig sei, so die Bewertung der Treuhand. Die Mitarbeiter werden entlassen. Selbst der technische Direktor, damals 51 Jahre alt, hat - wie so viele - nie mehr eine Stelle bekommen. Bis heute merkt er das an seiner kleinen Rente. So wie ihm ist es vielen ergangen.
Mit der Treuhand kommt das Aus. Ein Eindruck, der sich bis heute bei vielen festgesetzt hat. In einer Umfrage von ZDFzeit sind fast 80 Prozent der Ostdeutschen der Meinung, dass sich die Treuhand nicht bemüht hat, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.
Mammutaufgabe der Treuhand
Sie steht für das gnadenlose West-System, in dem eine ostdeutsche Biografie nichts wert ist. Und das sich im schlimmsten Fall gar mit kriminellen Methoden DDR-Vermögen unter den Nagel reißt. So wie bei der Firma Dampfkesselbau Hohenthurm bei Halle. Sie gerät in den Besitz eines Betrügers, der die Firma ausnimmt und in den Ruin treibt. Auch mehrere Treuhand-Mitarbeiter sind involviert.
Fälle wie dieser prägen ein katastrophales Bild der Institution, die eine beispiellose Aufgabe stemmen musste: Ein ganzes Land sollte innerhalb kürzester Zeit von Plan- auf Marktwirtschaft umgestellt werden. Mehr oder weniger über Nacht wird die Treuhand aus dem Boden gestampft. Ihre Ausstattung ist anfangs so dürftig, dass die Behörde nur eingeschränkt arbeitsfähig ist. Trotzdem muss sie schon in den ersten Jahren 8500 Großbetriebe privatisieren, sanieren oder abwickeln.
Das denken Ost- und Westdeutsche heute über die Treuhand
Treuhand-Trauma nützt Populisten
Viele Ostdeutsche fühlen sich auch Jahrzehnte später noch entwertet, abgewickelt und ausgeplündert. Noch heute sind 33 Prozent von ihnen der Meinung, dass vor allem der Westen von der Wiedervereinigung profitiert hat. Das weiß vor allem die AfD für sich zu nutzen und inszeniert sich im Osten als Gegenentwurf zu den westlichen "Altparteien", der das "ungerechte Erbe" zu beseitigen versuchten.
Aber war die Treuhand wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Oder hat sie den Transformationsprozess zur Marktwirtschaft im Großen und Ganzen gut bewerkstelligt?
- Kamera - Benedict Sicheneder, Thomas Bresinsky