Für die Meisten ist Rumänien kein Sehnsuchtsort, sondern das Land, in dem Menschen mit Vampirzähnen ihr Unwesen treiben, das Land, in dem die Musik der Roma und Sinti aus jeder Hütte weht, Pferde- und Eselskarren den Verkehr aufhalten und ein Volk sehr ruppig seinen Diktator vom Thron gestürzt hat.
Für mich war es immer ein märchenhafter Ort, den ich aus der kindlichen Phantasie meines besten Freundes, eines Jungen aus Siebenbürgen kannte. Ich wuchs als kleiner Junge mit Gleichaltrigen und deren Eltern auf, die Rumänien aus unterschiedlichen Gründen sehr früh verlassen hatten, von denen ich eine Wärme, eine Offenheit, eine Toleranz und Integrationsenergie erfuhr, wie ich sie aus meiner Umgebung nicht kannte. Seit diesen frühen Kindertagen wuchsen über den tiefschwarzen Seen, die Karpaten mit ihren sattgrünen Hängen in die meerblauen Himmel, und sich ein wildes, aber sanftes und abenteuerliches Land in meiner Phantasie festsetzte, hegte ich den Wunsch, selbst dort hinzufahren. Dass sich nun gleich die Möglichkeit bot, dort einen Film spielen zu lassen, war für mich ganz persönlich also die Erfüllung eines Kindertraumes.
Schmelztiegel der Völker und Religionen
Und in der Tat war gerade die Begegnung mit jener Region des Landes, die schon seit Sowjetzeiten durch die damals intakten und boomenden Binnenhäfen (Constanta und Tulcea) am Delta, ein Schmelztiegel der Völker und Religionen des ganzen Ostens in unmittelbarer Nähe zur Ukraine, extrem beeindruckend. Nach einer sehr freundschaftlichen, sehr professionellen, sehr effizienten Vorbereitung in Bukarest, einer wimmeligen, in ihren Baustilen höchst eklektischen modernen Großstadt, zogen wir mit großem Aufwand und einem Team von sechzig Leuten in das Delta ein. Das hört sich so leicht an, war es aber nicht, denn bis Tulcea darf und kann man mit Fahrzeugen auch fahren. Aber dann ist Sense und man hat den Weg durch den Donaukanal bis zur östlichsten Spitze Sulina mit Fähren zurückzulegen. Nach den ersten Drehtagen in einem noch eher trubeligen Hafenstädtchen Tulcea, zogen wir schließlich mit der gesamten Equipe, mit Mann und Maus, in den Hort der totalen Entschleunigung, in das Delta ein.
Mitten ins malerische Delta hinein
Wir lebten dort, transportiert lediglich durch Boote, in kleinen Pensionen, Apartments oder Hotels, denn Sulina ist ein sehr spezieller Badeort, an dessen Ostseite, zum Schwarzen Meer hin, ein blütenweißer Strand zu finden ist. Von dort aus ging es jeden Tag mitten ins malerische Delta hinein, in die unzähligen Kanäle, mit ihrer einzigartigen Pflanzen- und Tierwelt. Inmitten des Deltas, sozusagen auf einer weiten Sandbank, Luftlinie neun Kilometer von der Ukraine entfernt, haben wir schließlich das ideale, sehr pittoreske Letea als Hauptdrehort bespielt, das Dorf, in dem Sandra, unsere Protagonistin, aufgewachsen sein sollte. Malerische, urwüchsige Häuser, sehr einfache, aber extrem idyllische Orte, deren Faszination sich wirklich keiner von uns entziehen konnte. Die Dreharbeiten dort, wenngleich intensiv und durch die besondere, nur mit Booten erreichbare Lage, sehr spezielle Zeit, waren für Schauspieler unglaublich inspirierend, die Zusammenarbeit mit dem rumänischem Team und Schauspielern sehr bald 'europäisch-familiär' und professionell.
Für viele eine sehr, sehr unvergessliche Zeit. Eine Zeit, in der uns der Rest Deutschlands täglich mit Fragen bombardiert hat, da man dort mit extremen Hochwassern zu tun hatte. Bis auf zwei Tage aber, an denen aus den irrwitzigen Zeichnungen der Wolken ein bisschen Regen gefallen ist, sind wir vollkommen verschont geblieben von jeglichem Hochwasser. Nur eine halbe Woche später, nach unserer Abreise, stand das Delta unter Wasser, die Autos schwammen auf den Parkplätzen und unser Zirkus hatte sich schon weiter ins brüllend heiße Wien bewegt, wo wir dann nach ein paar Tagen Dreh sehr glücklich einen ziemlich runden, sehr erfüllenden und ziemlich europäischen Dreh zu Ende brachten.