1. (-) Als Meron Mendel vor 20 Jahren von Israel nach Deutschland kam, stellte er verwundert fest, wie unerbittlich über sein Geburtsland gestritten wurde. Mittlerweile ist der Pädagoge Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, seine Eindrücke hat er nun in einem Essay verarbeitet. Differenziert zeigt er, dass sich Antisemitismuskritik und Solidarität mit den Palästinensern nicht ausschließen müssen. 140 Punkte
2. (-) Ihre Theorie gilt als moderner Klassiker: 2007 beschrieb die britische Philosophin Miranda Fricker mit der „epistemischen Ungerechtigkeit“ eine Dimension der Diskriminierung, die auf dem Zusammenspiel von Wissen und Macht basiert. Marginalisierten Gruppen werde demnach weniger geglaubt, wenn sie von ihren Erfahrungen berichten. Mehr als 15 Jahren später erscheint das Buch nun auch auf Deutsch. 85 Punkte
3. (8) Auch wenn Goethe und Schiller ihn in den Schatten gestellt haben: Erfinder der Weimarer Klassik ist Christoph Martin Wieland. Neben der Literatur begründete der Tausendsassa die moderne Oper, den politischen Journalismus, die erotische Verserzählung. Jan Philipp Reemtsma, der sich seit Jahren dem Andenken Wielands widmet, hat nun die erste Biografie seit 70 Jahren vorgelegt. 55 Punkte
4. (-) 2018 zog die Journalistin Franziska Grillmeier nach Lesbos – auf jene Insel, auf der sich das damals größte Fluchtlager des Kontinents befand: Moria. Schon bald stellte sie fest, dass Menschenrechtsverletzungen an den Rändern Europas zum Alltag gehören. Eine schonungslose Reportage, die zeigt: Nicht nur Lesbos ist eine Insel, auch Europa ist es. 49 Punkte
5. (-) Im Iran vollziehe sich „feministische Weltgeschichte“, schreibt Gilda Sahebi. Dabei findet Weltgeschichte wie immer auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig statt: in der Musik, in feministischen Diskursen, durch die Proteste auf der Straße. Die Journalistin zeigt die Vielfältigkeit der Revolte auf, unterhält sich mit Menschen, die der Hinrichtung entgangen sind. Eine Hommage an die Freiheit. 45 Punkte
6. (-) Einst galt der Publizist Henjo Kesting als berüchtigter Thomas Mann-Kritiker – über die Jahrzehnte wandelte er sich zu einem großen Verehrer. Die Gedanken, die er sich zeitlebens über den Schriftsteller machte, hat er nun in einem Buch zusammengefügt. So lernt man bei der Lektüre, wie eng Manns gequälte Seele mit seinen politischen Ansichten verschlungen war. 33 Punkte
6. (-) Fast wäre er bei einem Zusammenstoß mit einem Buckelwal gestorben – die Faszination ließ ihn danach nie wieder los. Der britische Filmemacher Tom Mustill hat sich jahrelang mit dem Leben der Meeresgiganten beschäftigt. Nun hat er ein Buch über Wale und ihre Kommunikationsformen geschrieben. Er zeigt: Nur wenn wir ihre Sprache verstehen, können wir die Tiere auch angemessen schützen. 33 Punkte
8. (-) Tausende Tote, Millionen Geflüchtete: Der Krieg hat die Ukraine verwüstet, der Widerstand hält an – und das Leben der Menschen hat sich in einem Zustand der Ungewissheit eingependelt. Doch was werden sie erblicken, wenn sich der „Nebel des Krieges“ gelichtet hat? Eine Sammlung von Aufsätzen und Reportagen, die die undurchdringliche Gegenwart zu fassen versuchen. 30 Punkte
9. (-) „Der Osten erscheint als Geschwür am Körper des Westens“, schreibt der Germanist Dirk Oschmann. Die ehemalige DDR wird heute mit allen Problemen des Landes in Verbindung gebracht: Populismus, Rassismus, Armut. Verantwortlich für diese Zuschreibungen: vor allem Westdeutsche, die noch immer Medien und Politik dominieren. Eine Wutrede, mit spitzer Feder verfasst. 29 Punkte
10. (-) In den Sechzigerjahren endete in Deutschland eine Epoche: die bäuerliche Gesellschaft. Der Historiker Ewald Frie ist auf einem Hof im Münsterland aufgewachsen, mithilfe seiner zehn Geschwister rekonstruiert er die Zeit des Umbruchs. So rief der Geruch von Stall vor den anderen Schülern plötzlich Scham hervor. Eine Familienchronik, die zugleich das Porträt einer untergehenden Welt ist. 25 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Marlen Hobrack (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (ZEIT-Stiftung), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Hannah Lühmann (DIE WELT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Peter Neumann (DIE ZEIT), Catherine Newmark (Deutschlandfund Kultur), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Anna-Lena Scholz (DIE ZEIT), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)