Buchmesse ade? Leipzig liest doch
Die Literatur als Brücke zu Osteuropa
Zum dritten Mal in Folge findet die Leipziger Buchmesse NICHT statt. Doch während die Absagen 2020 und 2021 wegen Corona von Stadt und Land verordnet wurden, waren es diesmal die Verlage selbst, die plötzlich nicht mehr wollten und keine 6 Wochen vor der Messe die Reißleine zogen. Eine Publikumsmesse angesichts rasant steigender Infektionszahlen, sei nicht vorstellbar – so die Begründung. Nicht zuletzt die Absage der Konzernverlage Bonnier, Penguin Randomhouse und Holtzbrinck ließen der Messegesellschaft am Ende keine andere Wahl, als abzusagen. Enttäuschung bei den Schriftstellern, die ihre neuen Bücher in Leipzig vorstellen wollten, sich auf Begegnungen mit ihren Lesern freuten.
Quelle: BPL
Die Verleger Gunnar Cynybulk und Leif Greinus haben sofort reagiert und die „buchmesse_popup“ initiert – eine, wie sie betonen einmalige, alternative Buchmesse, an der sich rund 60 unabhängige Verlage mit Ständen und Lesungen beteiligen. Und auch sonst finden Literaturveranstaltungen statt. Das traditionelle Blaue Sofa ist vom Messegelände in die Innenstadt gezogen, der Preis der Leipziger Buchmesse wurde vergeben, ebenso wie der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Österreich, das im nächsten Jahr Gastland der Messe sein wird, hat zu einer großen Lesefeier eingeladen. Das vorherrschende Thema überall: der Krieg in der Ukraine. Eine Buchmesse kann keinen Krieg verhindern, doch wäre es nicht gerade in dieser Krisenzeit wichtig, Schriftstellern aus der Ukraine und auch kritischen Stimmen aus Russland eine größere Plattform zu bieten? Zeigt sich hier, dass der Stellenwert der Leipziger Buchmesse größer ist, als von manchen gedacht?
"Der große Fehler" von Jonathan Lee
Der berühmteste vergessene New Yorker
Quelle: ZDF
Andrew Haswell Green vereinte die fünf Boroughs New Yorks. Die Public Library und das öffentliche Schulsystem der Stadt gäbe es nicht ohne ihn. Auch nicht Central Park, Metropolitan und Museum of Natural History, Bronx Zoo und George Washington Bridge. Heute aber ist Green vergessen. Das liegt auch am Skandal nach seiner Ermordung. Sein Mörder verwechselte ihn, glaubte, er verstecke die bekannteste Prostituierte der Stadt. Doch Green war schwul. Der in New York lebende britische Autor Jonathan Lee greift im Roman “Der große Fehler” Greens Geschichte auf. Kein History-Roman: eine Anti-Story, die von unerfülltem homoerotischem Verlangen statt von Greens großen Werken erzählt. Und eine Detektivgeschichte, die den Wahnsinn des New Yorks um 1900 zeigt. Ein Roman über den berühmtesten New Yorker, den keiner kennt.
Wolf Haas und sein neuer "Brenner"
Von Müll, Mistplätzen und Mord
Quelle: ZDF
Ganz schlicht „Müll“ heißt der neue Roman des österreichischen Schriftstellers Wolf Haas – und wieder steht der Ermittler Simon Brenner im Mittelpunkt, über dessen komplizierte Verbrechensaufklärungen Haas zwischen 1996 und 2014 bereits acht Bücher geschrieben hat. Im neunten Band hat Brenner bei der Wiener Stadtreinigung angeheuert und arbeitet auf einem „Mistplatz“, einem Wertstoffhof. Als dort plötzlich ein menschliches Knie im Sperrmüll auftaucht, beginnt Brenner (unerlaubterweise) zu ermitteln. Der neunte Brenner-Roman strotzt von verqueren Einfällen und hinderlichen menschlichen Verwicklungen, und er ist welthaltiger als manche seiner Vorgänger.
Unvergleichlich ist immer noch der Ton, in dem Haas seinen Erzähler über die Geschehnisse reden lässt. Die Erzählstimme, sagt Haas, sei die eigentliche Hauptfigur seiner Brenner-Romane: "Ursprünglich war nur der Erzähler, da gab es den Brenner gar nicht. Mein erstes Buch habe ich geschrieben als Geschichte ohne Detektiv, aber in diesem Stil und erst gegen Schluss habe ich mich entschlossen, so einen Detektiv einzubauen, für mich war immer der Erzähler die Hauptfigur, dieser beflissene Mensch, der versucht, sich die Welt zu erklären."
Doris Dörries Lebensreisen
"Die Heldin reist"
Doris Dörrie erzählt von ihren Reisen nach San Francisco, Japan und Marrokko. "Die Heldin reist" heißt ihr neuestes Buch. Es erzählt von Frauen, die die Welt erkunden, aber auch vom Schreiben und von ihr selbst und ihren Entdeckungsreisen. Skurrile, dramatische, aber auch traurige und gewaltsame Erlebnisse, an denen sie ihre Leser*innen teilhaben lässt - keine klassische ‚Helden- oder Heldinnenreise‘.
Quelle: ZDF
Wie selbstverständlich war und ist es, als Frau alleine unterwegs zu sein? Selbst die Heldin in verwegenen Abenteuer zu werden und nicht zu Hause auf die Rückkehr eines strahlenden Helden zu warten? Wie ist das heute? Und wie sehen die Heldinnen in der aktuellen Weltenlage aus? Gerade sind wieder tausende Frauen mit ihren Kindern auf der Flucht vor einem despotischen Kriegstreiber, andere greifen selbst zur Waffe. Wer erzählt die Geschichte der zahlreichen unbekannten Heldinnen, die in Hungersnot und Klimakrise ihren Alltag mit ihrer Familie überleben? Katty Salié trifft Doris Dörrie in München bei ihrem Lieblingskoch, dem Japaner Tohru Nakamura.
"Draußen feiern die Leute"
Sven Pfizenmaiers Romandebüt
Quelle: ZDF
In seinem Debüt-Roman „Draußen feiern die Leute“ erzählt der 1991 geborene Autor Sven Pfizenmaier die Geschichte dreier Außenseiter: Timo, Valerie und Richard leben in einem stinknormalen Dorf, irgendwo zwischen Braunschweig und Hannover. Doch im ganzen Land verschwinden immer mehr junge Menschen ...
Was wie ein gewöhnlicher Krimiplot beginnt, mündet in einer schrillen, humorvollen und angenehm überzeichneten Erzählung vom Leben in der Provinz. Es geht um die Suche nach dem Sinn des Lebens, nach irgendeiner Form von Zuhause und auch um fehlerhafte Integration. Pfizenmaiers Debüt ist nominiert für den Nachwuchspreis der “Lit Cologne”. Eine schrille, humorvolle Erzählung. Selbst über die absurdesten Vorgänge wundert sich in seiner Welt niemand mehr. Wie im echten Leben.
Vom Musiker zum Autor
Drangsals Roman "Doch"
Quelle: ZDF
Max Gruber, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Drangsal, ist Musiker, Sänger und jetzt auch Autor. Mit „Doch“ legt er sein literarisches Debüt vor. Miniaturen wie Songtexte und Kurzgeschichten angefüllt mit Erinnerungen und Beobachtungen über sein Aufwachsen in der pfälzischen Provinz - mit Musik und viel Einsamkeit. Eine Welt, typisch Drangsal, die im Kuriosen ihren Schatten verliert. Und in der Musik immer wieder die Rettung darstellt - das Dasein erträglich zu machen, Langeweile aushalten zu können, eine „Exit Strategy“ zu haben. Das gilt auch für die Texte auf seinem letzten Album mit gleichnamigem Titel. Sich frei machen von gesellschaftlichen Schubladen, auch auf das eigene Ich bezogen - das sind Drangsals Dauerthemen, die sich auch in seinem Buchdebüt wiederfinden.
Stab
- Moderation - Katty Salié, Jo Schück