Wie gehen Kulturschaffende mit Putins Grenzüberschreitungen um? Jo Schück spricht mit der ukrainisch-deutschen Schriftstellerin Katja Petrowskaja über die Illusionen und die Fehleinschätzungen des demokratischen Westens im Verhältnis zu Russland. Er trifft außerdem den gebürtigen Ukrainer und DJ Yuriy Gurzhy. Der Musiker und Mitbegründer der legendären Russen-Disko in Berlin bereiste noch im vorigen Jahr den Donbass und berichtete damals über die bizarre und verstörende Situation an der Frontlinie zwischen Ukrainern und russisch-stämmigen Separatisten. Beide leben in Berlin und stehen in engem Kontakt zu Freunden im Kriegsgebiet.
Außerdem im Gespräch : Osteuropa-Historiker Karl Schlögel, der wie wenige Andere die Länder und den Zerfall des ehemaligen Ostblocks erforscht hat und Soziologe Steffen Mau, Autor des Sachbuchs "Sortiermaschinen. Die Neuerfindung der Grenze im 21. Jahrhundert".
Musik: Der ukrainische Tenor Oleksiy Palchykov
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Blick zurück: Geschichte und Grenzen der Ukraine
Geschichte, dürfte man meinen, ist eine harmlose Angelegenheit. Sie beschäftigt sich mit der Vergangenheit. Und die ist nun mal vergangen. Als sich Wladimir Putin unlängst in mehreren Reden als Hobby-Historiker betätigte, klang das jedoch alles andere als harmlos. Er sprach dem demokratischen Nachbarland Ukraine die Souveränität ab und zweifelte daran, ob es so etwas wie eine ukrainische Identität überhaupt geben könne. Die Ukraine sei schon immer ein Teil Russlands gewesen. Kurz darauf überfiel er das vermeintliche Brudervolk, um es "heim ins Reich" zu holen. Geschichte, musste man lernen, ist eine brandgefährliche Angelegenheit. Die gemeinsame Geschichte und der gemeinsame Ursprung im mittelalterlichen Großreich der Kiewer Rus dienten russischen Herrschern immer wieder als Waffe. aspekte wirft einen Blick auf die leidvolle Geschichte der ukrainischen Unabhängigkeit und spricht mit der Historikerin und Pulitzer-Preisträgerin Anne Applebaum ("Roter Hunger") über Putins gewaltsamen Versuch, die Geschichte zu "korrigieren".
Blick nach vorn: Grenzen des Pazifismus
Die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik in den 50er Jahren stieß auf großen Protest - nach dem Grauen des Weltkrieges wollte die junge Republik mit Krieg und Militär nichts mehr zu tun haben. Die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und die Friedensbewegung der 80er Jahre, so die Historikerin Hedwig Richter, ließen schließlich eine Kultur des Antimilitarismus entstehen. In der Folge davon pflegten die Deutschen stets ein distanziertes Verhältnis zur eigenen Landesverteidigung. Dass Pazifismus ein Fehler sein kann, führt Putins Angriffskrieg den Deutschen nun drastisch vor Augen. Beim russischen Machthaber scheint der Plan, das Land wirtschaftlich einzubinden und es durch Kooperation zu befrieden, nicht funktioniert zu haben. Auch der Blick auf militärische Abschreckung hat sich verändert. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler ist nicht der Einzige, der das deutsche Ideal einer regelgeleiteten Außenpolitik für endgültig gescheitert hält. Hat ein neuer Realismus Einzug gehalten, der nicht mehr auf internationale Kooperation und Verständigung setzt, sondern allein auf Abschreckung? Darüber spricht aspekte mit der Frankfurter Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff und dem Kieler Sicherheitsexperten Joachim Krause.
Russland, Putin und der Ukraine-Krieg
Dokus und Reportagen zu Russland und den Hintergründen des Kriegs in der Ukraine.
- Moderation - Jo Schück