Guten Abend,
jahrzehntelang war Helsinki der Meinung, es sei am sichersten, nicht der Nato beizutreten. Finnland wollte den Nachbarn Russland, mit dem es eine mehr als 1.300 Kilometer lange Grenze teilt, nicht provozieren. Nun die Kehrtwende: Die Regierung hat sich für einen Beitritt ausgesprochen, auch etwa drei Viertel der Bevölkerung sind dafür.
Der Kreml reagierte prompt: Russland sehe einen Nato-Beitritt Finnlands "eindeutig" als Bedrohung an, erklärte ein Sprecher.
Die Geschichte der beiden Länder ist problematisch: Nach einem Überfall der Sowjetunion 1939 leisteten die Finnen erbitterten Widerstand - mussten am Ende aber doch einen großen Teil der östlichen Region Karelien abgeben. 1948 folgte ein "Freundschaftsvertrag", mit dem Moskau Finnland zur Neutralität zwang. Er galt bis 1992.
Nun könnte die Nato noch enger an Russland heranrücken, das sich ohnehin schon bedrängt fühlt - einer der Hintergründe des Angriffs auf die Ukraine. Besonders kritisch könnte die Zeit zwischen dem Beitrittsantrag Helsinkis (voraussichtlich am Sonntag) und dem Beitritt (möglicherweise "in ein paar Wochen") werden, weil dann noch nicht die vollen Nato-Sicherheitsgarantien gelten.
Doch die Nato hat Finnland - und Schweden, das nach Jahrhunderten seine Neutralität aufgeben und ebenfalls demnächst einen Beitrittsantrag stellen könnte - während der Übergangsphase Unterstützung zugesichert. Beobachter halten einen russischen Angriff auf die skandinavischen Länder auch aus einem weiteren Grund für unwahrscheinlich: Wegen des Ukraine-Kriegs habe das Militär gar keine Kraft dafür.
Welche Folgen hätte eine Nato-Erweiterung? Um diese Frage geht es auch ab 19:30 Uhr in einem ZDFheute live.
Was heute im Ukraine-Krieg passiert ist
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Und noch ein Tipp aus der Rubrik "letzte Chance": Die belgische Serie "Red Light" führt ins Rotlichtmilieu von Antwerpen. Es geht um Mordfälle und psychologische Abgründe: eine Kommissarin, die vor ihren Kindern flieht, eine Opernsängerin, die am selben Tag Mann und Vater verliert - und feststellen muss, dass sie von beiden hintergangen wurde. (Zehn Episoden von je etwa 50 Minuten, bis 7. Juni in der Arte-Mediathek.)
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