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Update am Morgen:Fröhlichkeit in Kriegszeiten
von Bettina Schausten
09.06.2022 | 06:00
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Guten Morgen,
16 Jahre im Kanzleramt zu überleben, gelingt vermutlich nur, wenn man in der Lage ist, Optimismus mit einer gewissen Dickfelligkeit zu paaren. Vielleicht ist es das, was Angela Merkel bei ihrem Abschied aus dem Kanzleramt die "Fröhlichkeit im Herzen" nannte, die sie ihrem Nachfolger Olaf Scholz mit auf den Weg wünschte.
Das war zehn Wochen vor Beginn des Angriffskriegs Putins auf die Ukraine. Scholz hat seitdem nichts zu lachen gehabt, muss sich hingegen massiver Dauerkritik an seinem Ukraine-Kurs erwehren. Mit viel Fröhlichkeit und großer Milde gegen sich selbst verteidigte Angela Merkel am Dienstagabend in Berlin ihre Politik gegenüber Russland und Wladimir Putin, den sie nie unterschätzt habe. Das kann man ihr abnehmen.
Dass es allerdings so gar keinen Grund zur Reue für sie geben soll, erstaunt doch. Jedenfalls bleibt die fröhliche Altkanzlerin vorerst die Antwort schuldig, warum sie Deutschlands Abhängigkeit von russischem Öl und Gas so intensiv vorantrieb. Merkel will ihre außenpolitische Bilanz nicht ihren Kritikern überlassen, das ist offensichtlich. Und so räumt sie - anders als zum Beispiel der Bundespräsident, der einst ihr Außenminister war - nichts ein, nicht einmal den kleinsten Irrtum.
Quelle: phoenix
Mrs. Europa wurde Merkel einst genannt und man stelle sich kurz vor, wie sie zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron durch diesen Krieg steuern würde. Würde sie Macron widersprechen, wenn er rät, Putin nicht zu demütigen, damit Russland ein diplomatischer Ausweg bleibe? Vermutlich nicht, jedenfalls nicht öffentlich. Würde man den Satz, den Scholz vermeidet - 'Die Ukraine soll in diesem Krieg siegen' - von Merkel hören? Nein, sie würde es, das jedenfalls muss man seit Dienstag annehmen, sagen wie Scholz: 'Russland soll nicht gewinnen'.
In ihren Nachfolger setzt Merkel "volles Vertrauen" und damit trifft sie auch eine Aussage über sich als Vorgängerin. Die EU zeigt derweil immer mehr Risse, die Maybrit Illner heute Abend in ihrer Sendung thematisiert: "Streit statt Stärke - doch nicht gemeinsam gegen Putin?". Merkel jedenfalls muss den Laden nicht mehr zusammenhalten und ist darüber offensichtlich selbst ziemlich froh. Ich wünsche Ihnen - trotz allem - einen fröhlichen Tag.
Bettina Schausten, stellvertretende ZDF-Chefredakteurin
Was in der Nacht im Ukraine-Krieg passiert ist
Russland ist kurz vor der Einnahme Sjewjerodonezks, schreiben unsere Analysten Christian Mölling und Andras Racz. Strategisch hätte die Einnahme der Stadt zwar keine Bedeutung. Der russischen Propaganda aber dürfte sie helfen.
Polens Präsident Duda kritisiert Kanzler Scholz und Präsident Macron - mit drastischen Worten. Er sei erstaunt darüber, dass Deutschland und Frankreich weiterhin Gespräche mit Putin führten. Die Situation mit Putins Verantwortung für den Ukraine-Krieg sei ähnlich wie mit Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg. "Und hat jemand während des Zweiten Weltkrieges auf diese Weise mit Adolf Hitler gesprochen", fragt Duda im "Bild"-Interview.
Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.
Was heute noch wichtig ist
Stoltenberg trifft Scholz und Lambrecht: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kommt zu Gesprächen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD) nach Berlin. Bei den Treffen dürfte es um die Vorbereitung des Nato-Gipfels Ende des Monats in Madrid sowie den russischen Angriffskrieg in der Ukraine gehen. Zunächst empfängt Scholz (12 Uhr) den Nato-Generalsekretär im Kanzleramt. Zu Beginn des Treffens sind auch Statements geplant. Am Nachmittag (15 Uhr) spricht Lambrecht mit Stoltenberg, auch hier ist ein gemeinsames Pressestatement zu Beginn vorgesehen.
EZB berät über geldpolitischen Kurs: Vor dem Hintergrund steigender Verbraucherpreise und immer höherer Inflationsraten im Euroraum berät die Europäische Zentralbank (EZB) in Amsterdam über ihre künftige Geldpolitik. Mit Spannung werden Hinweise der Zentralbanker erwartet, ob es bei den angekündigten Zinserhöhungen im Juli bleibt und wie hoch diese ausfallen werden. Über die Beschlüsse des obersten Entscheidungsgremiums der Notenbank informiert die EZB am Nachmittag (13:45 Uhr). EZB-Präsidentin Christine Lagarde äußert sich im Anschluss an die EZB-Ratssitzung in einer Pressekonferenz (14:30 Uhr).
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Gesagt
An so einem Tag ist es sehr schwierig, Trost zu finden.
Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von Berlin
Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (SPD), hat sich im ZDF nach dem tödlichen Vorfall in Berlin bestürzt gezeigt.
Weitere Schlagzeilen
- US-Repräsentantenhaus stimmt für Verschärfungen des Waffenrechts: Die Republikaner im US-Senat dürften weitreichende Veränderungen allerdings verhindern.
- EU-Parlament will Verbrenner ab 2035 stoppen: Eine Mehrheit der Abgeordneten votierte dafür, dass Hersteller nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen.
- Bund will Flächen für Windenergie ausweiten: Zur Stärkung der Windenergie an Land will die Bundesregierung gesetzlich verpflichtende Ziele für den Ausbau festlegen.
Die Nachrichten im Video
So wird das Wetter heute
Am Donnerstag regnet es südlich der Donau anfangs noch kräftig. Sonst gibt es bei einem Mix aus Sonne und zahlreichen Wolken nur einzelne Schauer. Im Westen kann auch ein Gewitter dabei sein. Bei einem lebhaften Westwind werden 14 bis 22 Grad erreicht.
Quelle: ZDF
Zusammengestellt von Lukasz Galkowski
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