Guten Morgen,
obwohl russische Medien die Wahrheit nicht beim Namen nennen dürfen, tröpfelt sie in Russland langsam ein. Die Ukrainer wissen, dass sie den Krieg militärisch nicht gewinnen können. Aber je länger sie standhalten, desto größer die Chance, dass Fakten und Bilder - von Angriffen auf die Zivilbevölkerung, der gezielten Zerstörung ukrainischer Städte, von Opfern unter den eigenen Soldaten - auch in Russland ankommen.
Wladimir Putin hat die Bereitschaft der Ukrainer, für ihr junges Land zu kämpfen, unterschätzt. Unterschätzt hat er auch die Selfievideos ukrainischer Zivilisten. Sie werden zu eindrucksvollen Zeugnissen dieses Kriegs: die Journalistin, die sich im Hausflur versteckt, eine Mutter, die aus einem Keller in Charkiw erklärt, warum sie nicht fliehen kann, ein Mann, der seine Frau verloren hat und jetzt zu den Waffen greift. Diese Momente werden in Erinnerung bleiben. Sie sind ein harscher Kontrast zu Putins Kriegsmaschine und zu russischen Soldaten, die offenbar zum Teil gar nicht wissen, wofür sie kämpfen.
Selfievideos aus der Ukraine
Zur Propaganda Moskaus gehört auch der Griff zu Stereotypen, die ukrainische Regierung sei "faschistisch", in Kiew regierten "Nazis". Er aktiviert eine tief im kollektiven Gedächtnis Russlands verankerte Erinnerung, dass ukrainisches Unabhängigkeitsstreben nicht nur anti-sowjetisch und anti-russisch, sondern auch antisemitisch war.
Die Fakten sind nicht falsch. Der Unabhängigkeitskämpfer Stepan Bandera und seine Milizen haben mit den deutschen Angreifern gegen die Sowjetunion gekämpft und waren an der Ermordung der jüdischen Bevölkerung in den "Bloodlands" des Zweiten Weltkriegs beteiligt.
Die moderne Ukraine hat sich, wenn überhaupt, nur halbherzig von Bandera distanziert. Noch immer sind Straßen nach ihm benannt, wird er in Lemberg mit einem riesigen Denkmal geehrt. An diese historische Kollaboration mit den Nazis zu erinnern, ist eine für viele Russen nachvollziehbare Rechtfertigung des jetzigen Kriegs. Die Erzählung appelliert gleichzeitig an Russlands einigenden Stolz, den Kampf und Sieg im Großen Vaterländischen Krieg gegen Hitler.
Was Moskau allerdings übersieht, ist die rasante Modernisierung der heutigen, demokratischen Ukraine. Bei allen Mängeln im eigenen Geschichtsbild oder beim Thema Korruption hat die Ukraine nationalistische Kräfte zurückgedrängt. Präsident Wolodymr Selenskyj ist jüdisch und er hat sich 2019 mit einer pro-europäischen Partei in einer demokratischen Wahl durchgesetzt.
Und die vielen mutigen ukrainischen Bürgerinnen und Bürger, deren Handy-Statements wir jetzt sehen, haben doch alle die gleiche Botschaft: Wir kämpfen für Demokratie, für unser Land, für eine europäische Zukunft. Und das heißt immer auch: für Toleranz, gegen die Ausgrenzung von Minderheiten, gegen Faschismus.
Herzliche Grüße
Peter Frey, Chefredakteur des ZDF
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