Was haben das Videoportal Bitchute, der Mikroblogging-Dienst Parler und der Messenger-Dienst Telegram gemeinsam? Sie boomen in der Corona-Zeit wie verrückt. Das hat Gründe.
Auf mehr als 400 Millionen Mitglieder bringt der Messenger-Dienst Telegram es im April 2020. Sicherheitsexperten, die diesen Dienst seit langem beobachten, schätzen, dass die Mitgliederzahl gerade an der Grenze zur halben Milliarde schrammt.
Beachtliche Nutzungszahlen meldet auch die Mikroblogging-Plattform Parler. Sie hat die Zahl ihrer Mitglieder nach eigenen Angaben allein im November dieses Jahres von fünf auf zehn Millionen verdoppelt. Insider aus Sicherheitsbehörden gehen von aktuell 14 Millionen aktiven Nutzern bei Parler aus.
Sicherheitsbehörden beobachten auch Bitchute
Weniger bekannt in Deutschland ist die Video-Plattform Bitchute. Offizielle Nutzerzahlen liegen hier nicht vor. Die meisten dort eingestellten Videos erreichen vierstellige Abrufzahlen. Den Verschwörungstheoretiker und Vegan-Koch Attila Hildmann haben etwas mehr als 2.000 abonniert. Die Abrufzahlen seiner Videos liegen teilweise im fünfstelligen Bereich (16.000 bis 17.000).
Videos über US-Präsident Donald Trump, die seine Anhänger einstellen, bringen es auf Abrufzahlen von mehr als 40.000. Insider aus Sicherheitsbehörden gehen von vier bis fünf Millionen aktiven Nutzern bei Bitchute aus. In Deutschland sollen die Nutzerzahlen bei 30.000 bis 40.000 liegen.
Corona als Ursache für steigende Reichweite
Die Wachstumszahlen der drei Dienste haben nach Einschätzung aus Sicherheitskreisen durchaus mit der Corona-Pandemie zu tun. Denn auf allen drei Diensten sind in unterschiedlicher Ausprägung Corona-Leugner aktiv.
Verschwörungstheorien haben in der Corona-Krise Konjunktur. Denn unsichere Zeiten machen viele Menschen anfällig für manipulative Botschaften.
Eine eher kleinere Gruppe, verglichen mit der Gesamtnutzerzahl, stellen sie auf Telegram dar. Dieser im Jahr 2013 von den Geschwistern Nikolai und Pawel Durow ins Leben gerufene Messenger bietet eine wesentlich stärker abgesicherte Anonymität als Dienste wie zum Beispiel WhatsApp.
Vorteile für Bürgerrechtler wie für Kriminelle
Deshalb wird Telegram gern von Oppositionsgruppen und Bürgerrechtsaktivisten genutzt. Das führte und führt immer wieder zu Blockaden durch staatliche Stellen, zum Beispiel im Iran oder in Russland.
Weil die Kommunikationsinhalte insgesamt auf einem recht hohen Niveau geschützt sind, wird Telegram auch gern von Gruppen der Organisierten Kriminalität und bei der Distribution von kinderpornographischem Material eingesetzt.
Auch verschlüsselte Dienste sind hackbar
Auch Terroristengruppen des "Islamischen Staates" haben darüber Angriffe koordiniert. Obschon die Verschlüsselung bisher nicht geknackt wurde, konnten Sicherheitsbehörden sich in Telegram-Kommunikation einhacken.
Zum einen verwendeten sie dazu "erbeutete" Rufnummern, an die die jeweiligen Nutzerkonten gebunden sind. Zum anderen fingen sie Authentifizierungs-SMS ab. Das führte aber nur bei Telegram-Anwendern zum Erfolg, die kein zweistufiges Authentifizierungsverfahren aktiviert hatten.
Hohe Nutzerzahl macht Dienste attraktiv
In der Corona-Krise wurde Telegram zum Lieblingsmessenger von Verschwörungstheoretikern und Corona-Leugnern, weil mit der insgesamt relativ sicheren Kommunikation recht große Gruppen von bis zu 200.000 Mitgliedern erreicht werden können. Von Mitgliedern der Identitären Bewegung angelegte Gruppen weisen teilweise 50.000 bis 60.000 Mitglieder auf.
Bei Parler, einer Plattform, die besonders bei politischen Rechten beliebt ist, gibt es kein Factchecking. Trump-Anhängerin Camille Wead postet dort regelmäßig Videos zur US-Wahl.
Der Mikroblogging-Dienst Parler ist im Jahr 2018 im US-Bundesstaat Nevada von zwei Softwareentwicklern und der Investorin Rebekah Mercer gegründet worden, die auch den Trump-Wahlkampf unterstützte. Libertäre und politisch im rechten Spektrum angesiedelte Gruppen nutzen Parler intensiv in den USA.
Neue Mitglieder durch systemische Automatismen
Für die im Januar 2017 vom Software-Spezialisten Ray Vahey gegründete Video-Plattform Bitchute hat sich sogar ein eigener "Migrationsservice" für Videos von Youtube auf diese Plattform etabliert.
Das führte Bitchute erheblich Mitglieder zu. Denn die Videos werden bei Bitchute nicht auf einer zentralen Plattform vorgehalten, sondern dezentral im Peer-to-Peer-Verfahren bereitgestellt.
- "Die Wahl ist noch nicht vorbei"
Seit der US-Wahl steigt die Desinformation im Netz rasant. Rechtskonservative versuchen nun, auf Plattformen wie Parler dem Factchecking von Twitter und Co. zu entgehen.