Das Motto des alljährlichen Hackertreffens nach Weihnachten ist diesmal kompliziert, die Veranstaltung verteilt: "Nirgendwo? Jetzt hier!", reicht von Frust bis Zuversicht.
Pandemie-Erfahrung haben die Planerinnen des Chaos Communication Congress, der zum zweiten Mal virtuell stattfindet und deshalb "Remote Chaos Communication Congress" heißt. Und er findet sehr remote statt.
Verteilte Veranstaltung wegen der Corona-Pandemie
Von 14 Veranstaltungsorten wird gestreamt. Die Talks, Vorträge und Diskussionen sind frei. Eine Anmeldung ist nur für das digitale Wohnzimmer erforderlich, in dem die IT-Begeisterten des Clubs mit größtmöglicher Privatsphäre diskutieren.
Die Pandemie bestimmt den Kongress, auch inhaltlich. Die massiven Defizite bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens, die in der Pandemie noch einmal wie unter einer Lupe deutlich hervorgetreten sind, werden breit in verschiedenen Talks diskutiert.
Deutsche Behörden sind schlecht gerüstet für den digitalen Fortschritt. Wohnort ummelden, Auto anmelden und Personalausweis beantragen wird meistens zum Geduldsspiel.
Auch Praktikerinnen wie IT-Entwicklerin Bianca Kastl und Informatiker Manuel Atug kommen da zu Wort und berichten nicht nur über die mittleren digitalen Katastrophen, die sich natürlich auch auf das Pandemiegeschehen ausgewirkt haben, sondern auch wie diese künftig vermieden werden können.
Kritik an "digitalem Stillstand" und Debatte über Gesundheitsdaten
Das aber erfordert enormen Einsatz. "Immerhin sind 15 Jahre Stillstand im Digitalen aufzuholen", brachte es Sicherheitsforscherin Lilith Wittmann in ihrem Eröffnungstalk auf den Punkt.
Dabei kommt auch die Technikfolgenabschätzung nicht zu kurz. "Überwachung und Seuche" ist zum Beispiel ein auch auf dem Kongress intensiv diskutiertes Thema.
Welche Begehrlichkeiten auf welche Datenbestände, nicht nur bei den direkten Gesundheits- und Infektionsdaten da in der Krise noch einmal gewachsen sind, wird genauso thematisiert wie konkrete Datenschutzmaßnahmen in der Pandemiebekämpfung.
Hackerethik in der Corona-Krise gefragt
Da kommen natürlich die typischen Hackerthemen sofort auf das Tapet: Privatheit, Datensicherheit und Abbau bis Ausschluss von Risiken und Gefahren durch IT-Systeme. Und hier zeigt sich, wie Hackerethik in der Krise gefragt ist.
Das Kongressmotto lässt es schon gut anklingen: "now/here". Also: nirgendwo und jetzt hier. Mit dem Nirgendwo haben viele Menschen in der Krise zu kämpfen, weil sie mit den Kontaktbeschränkungen, im Home Office, mit dem Tod von Bekannten, Kollegen und Freunden tatsächlich ein wenig ortlos geworden sind.
Anfang der 80er – als die ersten PCs zaghaft Kontakt zur Welt aufnehmen – gründet Wau Holland mit einer Handvoll Nerds den Chaos Computer Club. Sie testen beides: Datenschutz und ihre Grenzen. Der Film „Alles ist eins, außer Null“ erzählt ihre Geschichte.
Die Hackerethik ist hier pragmatisch: konkrete Hilfe zur Selbsthilfe. Videokonferenzangebote, um Menschen aus der Isolation zu holen, Podcasts und aufgesetzte Chats habe viel dazu beigetragen.
"Wenn die Wirklichkeit nicht performed, müssen wir sie ändern", das war auf dem und ist seit dem ersten Remote-Kongress im Dezember 2020 zum geflügelten Wort geworden.
Digitale Konzepte als Lösungen
Deshalb betrachten die Hacker und Haecksen die Pandemie als eine von mehreren Krise, die es zu bewältigen gilt. "In der Klimakrise stecke wir genauso wie in der Pandemie", meinte eine Kongress-Teilnehmerin im Chat nach der Eröffnung des Kongress bei "Chaos-West-TV".
Das große Ziel der neuen Bundesregierung heißt: Klimaneutralität. Aber was heißt das eigentlich? Wir werfen dafür einen Blick auf das Thema Digitalisierung.
Dafür will der Kongress Lösungen zeigen, zum Beispiel mit Konzepten für "Open Hardware", die in Krisenzeiten enorm helfen kann. Ersatzteile für die Medizintechnik aus 3D-Druckern sind da nur ein Beispiel.
Für die lokale Produktion von Konsumgütern und zur Vermeidung von unnötigen Transporten können Open-Hardware-Konzepte eine Menge beitragen. Viele Produkte werden dann eben nicht mehr in China, Vietnam oder Korea gefertigt, sondern vor Ort, wo sie benötigt werden.
Dazu aber müssen Menschen verantwortlich mit Daten umgehen – auch mit Produktionsdaten, die unter Umständen durch ein Patent geschützt sind. Auch darüber wird auf dem Kongress diskutiert.
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