Seit Jahren tüftelt der Bund an einer Online-Schulplattform. Dabei haben viele Länder längst eigene Lösungen. Ein Beispiel für die Grenzen des Bildungsföderalismus.
Lehrer und Schüler in Zeiten des Homeschoolings brauchen eines sicher: starke Nerven, wenn sie über das Internet lernen. Viele kämpfen mit komplizierten Programmen, abstürzenden Videostreams. Die Bundesregierung wollte ihnen im Frühjahr zu Hilfe eilen und ermöglichte die Nutzung der sogenannten "HPI Schul-Cloud".
Das IT-System wird seit knapp vier Jahren vom gemeinnützigen Hasso-Plattner-Institut in Potsdam entwickelt und wurde bis zum Pandemieausbruch an ausgewählten Schulen getestet. In der Krise sollten alle Schulen etwas vom knapp 20-Millionen-teuren Projekt haben.
Der Digitalpakt soll die Digitalisierung an Schulen in Deutschland vorantreiben. In der Theorie klingt das gut - doch in der Praxis hat sich bisher wenig getan.
Ziel: Eine digitale Infrastruktur für alle Schulen
Das System ist eine Art Appstore für Schulen: Lehrer und Schüler melden sich online an und erhalten einen geschützten Zugang zu Videokonferenzsystemen, Klassen-Chats oder Mathe-Software. Die meisten Anwendungen davon sind Open Source, also für jedermann kostenlos nutzbar.
So heißt das Schreibprogramm nicht Microsoft Word, sondern Libre Office. Wenig schick, eher praktisch. "Wir brauchen sowohl eine sichere Infrastruktur als auch passende Lerninhalte für die Schüler. Die HPI-Schul-Cloud bietet beides ", sagt Institutsdirektor Christoph Meinel.
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Nur wenige Bundesländer nutzen die HPI-Schul-Cloud
Zwar sind seit Pandemiebeginn vereinzelte Pannen bei der Schul-Cloud bekannt geworden. Trotzdem macht das System aus Gründen des Datenschutzes und der Anwendbarkeit noch die beste Figur aller Anwendungen, finden Experten:
Knapp 3.300 Schulen greifen auf die HPI-Schul-Cloud seit Corona zu. Vor allem Schulen aus diesen drei Bundesländer haben sich von der Idee überzeugen lassen: Brandenburg, Thüringen und Niedersachsen. Darüber hinaus sind eher wenige hinzu gekommen. Das könnte so bleiben und ist nur ein Beispiel für die Wirren des Bildungsföderalismus:
Mancherorts sind es sogar mehrere mit unterschiedlichen Anwendungen, erzählt Stilz weiter. So lernen in Nordrhein-Westfalen die Schüler über "Logineo", in Bayern über "Mebis", in Berlin über "Lernraum".
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Hohe Investitionen in ländereigene Plattformen
Die Unterschiede zwischen den Systemen liegen in ihren Inhalten und den Anwendungen, die jedes Land auf seine Bedürfnisse zuschneiden ließ. Das hat die Bundesländer fast über zwei Jahrzehnte einiges gekostet. Alleine in die Entwicklung von Logineo floßen knapp sechs Millionen Euro.
Drei Fragen an Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung:
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Die Plattformen zugunsten eines einzigen Systems abzuschalten, brächte so manche Kultuspolitiker möglicherweise in Erklärungsnot. War das viele Geld umsonst? Was passiert mit den ländereigenen Lerninhalten?
Gemeinsame Cloud-Struktur für unterschiedliche Inhalte
Für HPI-Direktor Meinel und das Staatsministerium für Digitalisierung sind das die falschen Fragen. Aus ihrer Sicht liefert die Schul-Cloud lediglich eine Infrastruktur, ein gemeinsames Fundament, auf dem Länder ihre unterschiedlichen Inhalte anbieten könnten. Als solches wurde es von Anfang an konzipiert und soll im nächsten Sommer an die Kultusminister übergeben werden.
Auch der Lehrerverband fordert von den Ländern beim Thema Digitalisierung mehr Zusammenarbeit: "Wettbewerb sollte nicht dazu führen, dass jeder sein Ding macht", sagt Lehrer-Vorsitzende Meindinger.
Die Antwort der Bundesländer, die die Schul-Cloud nicht nutzen, klingt seit Langem gleich. Aus Baden-Württemberg heißt es etwa: "Unsere Angebote decken die bestehenden Anforderungen bereits ab."