Die Entwicklung der Corona-App ist fachlich diskutiert worden, wie üblich bei solchen Prozessen. Doch auch die Debatte um Drosten und Kekulé hat die Community eingeschüchtert.
Viele zivilgesellschaftliche Gruppen und IT-Experten hatten hart dafür gekämpft, dass die Corona-Warn-App nach den Regeln des Open-Source-Prozesses entwickelt wird. Und die sehen einen klaren Ablauf und eine möglichst freie Debatte vor.
Die Software wird durch Fachdiskussionen besser
Entwickler programmieren ein Stück Software, stellen es online und andere Entwickler schauen sich an, was da an Programmcode veröffentlicht wurde. Sie finden Fehler und machen Verbesserungsvorschläge. Die Software wird so Stück für Stück verbessert. Ein regulärer Vorgang.
Das sollte auch bei der Corona-Warn-App so laufen. Am Pfingstwochenende wurde der Source-Code auf die fachliche Online-Plattform Github gestellt. Dort gingen zahlreiche Verbesserungsvorschläge und Meldungen ein.
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Bär verteidigt Corona-App gegen Kritik
Die Corona-App läuft nicht auf älteren Handys. Die Staatsministerin für Digitalisierung, Bär, verteidigt die App. Manchmal liege das Problem auch an der Bequemlichkeit von Nutzern.
Die Entwicklung der Corona-App war ein großes, mediales Thema
Auch in den sozialen Medien wurde natürlich über den Programmcode der App diskutiert - auch das ist ein normaler Vorgang.
Die App war Thema zahlreicher Radio- und Fernsehbeiträge, Tageszeitungen berichteten über Fehler in der App und deren Beseitigung.
Doch nicht wenige Entwickler stellten ihrer Kritik am Programmcode der App eine Art Disclaimer voran. So twitterte der Stuttgarter Datenbankexperte Alvar Freude:
Und da kommt die Debatte um Drosten und Kekulé ins Spiel
Im Deutschlandfunk erklärte Freude auch, warum solche bisher unüblichen Disclaimer bei Diskussionen über Software im Open-Source-Prozess gerade notwendig werden. "Man muss halt aufpassen, dass man solche Kommentare nicht falsch versteht", warnte Alvar Freude und erläuterte:
Die von der Bild-Zeitung vorgenommene Skandalisierung einer ganz normalen wissenschaftlichen Debatte um eine Studie des Berliner Virologen Christian Drosten hat in der Debattenkultur der Open-Source-Gemeinde tiefe Spuren hinterlassen.
Seit Dienstag steht die Corona-Warn-App zum Download bereit. Sie soll dabei helfen, die Corona-Pandemie in Deutschland weiter einzudämmen. Wie funktioniert die App?
Aber auch aus den Reihen der App-Befürworter gab es harsche Worte für öffentliche Kritik, bis hin zu Beleidigungen.
Das schreibt ein IT-Experte, der seine Mitarbeit an diesem Open-Source-Projekt eingestellt hat. Er will seinen Namen nicht veröffentlicht sehen.
Diskussionen sollen nicht auf Twitter geführt werden
Ein anderer Entwickler urteilt: "Wer einen Fehler im Source Code bei einem Projekt mit so hohem Druck wie hier findet, der kriegt sofort umfassend auf die Fresse." Auch dieser Entwickler will anonym bleiben.
Außerdem versuchen die von der Bundesregierung mit der App-Entwicklung beauftragten Unternehmen, die öffentliche Diskussion über den Source Code einzugrenzen und zu kontrollieren. So stellt SAP-Sprecher Hilmar Schepp in einer Mail an Journalisten unmissverständlich klar:
War die Diskussion um die Corona-App nur der Anfang?
Open-Source-Projekte wurden bisher immer sehr intensiv auf sozialen Plattformen diskutiert. Die Debatte ging insbesondere bei gesellschaftlich relevanten Themen immer über die Github-Plattform hinaus.
Wie sich diese Entwicklungen mittel- und langfristig auf die Debattenkultur in der Open-Source-Community auswirken, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Bei der Diskussion über den Programmcode der Corona-Warn-App hat das bei einigen Entwicklern allerdings schon die berühmte "Schere im Kopf" geöffnet.