Der Ukraine-Krieg findet auch im Digitalen statt. Wer darin involviert ist - und was es mit dem von "Anonymous" erklärten Cyberkrieg gegen Putin auf sich hat.
Der russische Angriff auf die Ukraine findet nicht nur mit Raketenbeschuss und einmarschierenden Soldaten statt - er hat auch seine Seite im Digitalen. Dabei sind
- staatliche Akteure und
- mehr als 40 nicht-staatliche Cyber-Gruppen und Kollektive involviert.
Der IT-Experte Matthias Schulze von der Stiftung Wissenschaft und Politik hat rund um den Konflikt 150 Cyber-Ereignisse gezählt. Darunter sind etwa datenlöschende Wiping-Attacken gegen ukrainische Regierungsstellen oder gefälschte Videos. Wem einzelne Angriffe zuzuordnen sind, ist oft schwierig bis unmöglich. Schulze hält aber fest:
Überrascht ist er von den vielen sogenannten Hacktivisten, also nicht-staatlichen Hacker-Gruppen. Mehr als vierzig von ihnen sind bislang identifiziert - manche pro-ukrainisch, manche pro-russisch. "Die fangen jetzt an, mehr oder minder wahllos Ziele anzugreifen", so Schulze.
Anonymous hat Putin den "Cyberkrieg" erklärt
Das Hacker-Kollektiv "Anonymous" steht in dem Konflikt auf der pro-ukrainischen Seite. Bereits am Tag der Invasion haben sie der russischen Regierung den "Cyberkrieg" erklärt und seitdem laut eigenen Angaben hunderte Webseiten gehackt, darunter die von Gazprom, der Moskauer Börse und des Kremls. Vom Verteidigungsministerium wollen sie auch Datenbanken erbeutet haben.
"Anonymous", ein loses, internationales Kollektiv von Hackerinnen und Hackern, ist in Deutschland zuletzt mit Aktionen gegen "Querdenker" aufgefallen. Mit der "Op Russia", der Operation Russland, greifen sie nun Putins Regierung an. Im Zuge dessen haben sie auch dazu aufgerufen, bei russischen Restaurants in den Google-Bewertungen auf den Ukraine-Krieg aufmerksam zu machen.
Anonymous Deutschland schreibt gegenüber ZDFheute, wo die Grenzen für sie liegen:
Staatlicher Aufruf für ukrainische IT-Armee
Anonymous hat seine anti-russischen Aktionen gestartet, noch bevor die ukrainische Regierung internationale Hackerinnen und Hacker um Hilfe gebeten hat. Der ukrainische Vize-Premier Mykhailo Fedorov rief am Tag zwei des Krieges in einem Tweet dazu auf, einer ukrainischen IT-Armee beizutreten.
Koordiniert wird diese "IT-Armee" seitdem in einer Telegram-Gruppe. Darin werden etwa Ziele für DDoS-Attacken ausgegeben. Damit werden Webseiten verlangsamt oder komplett lahm gelegt.
Russlands Zusammenarbeit mit Cyber-Kriminellen
Andere Gruppen haben sich auf die russische Seite gestellt - darunter die Cyber-Gang "Conti", die mit Attacken gegen Russlands Feinde droht. "Conti" ist für die Entwicklung und Vermietung von Ransomware bekannt - ein beliebtes Mittel bei Cyberkriminellen. Wird ein Computer damit infiziert, werden alle Daten darauf verschlüsselt. Gegen Lösegeld bekommen Betroffene dann die Schlüssel, um ihre Systeme wiederzustellen.
Ein Hack offenbarte nun, dass "Conti" Bitcoin im Wert von fast 2,5 Milliarden Euro verdient hat. Zudem gibt es Hinweise, dass der russische Geheimdienst FSB "Conti" in der Vergangenheit mit Angriffen beauftragt hat. Dass der russische Staat selbst ein fähiger Akteur ist, hat 2015 der Bundestags-Hack gezeigt.
Es ist ein Krieg, den es offiziell gar nicht gibt: Im Schattenkrieg werden Konflikte ausgetragen, in denen Söldner, Hacker und Drohnen an die Stelle regulärer Armeen treten.
Die Auswirkungen bislang? Eher gering
Für den IT-Experten Schulze zeigen die Cyber-Angriffe bislang aber auch: "Wir sehen hier auch die Grenzen von Cyber-Fähigkeit in einem bewaffneten Konflikt." Und:
Auch Thorsten Holz vom Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit sagt zu den Online-Attacken: "Es gibt Angriffe auf beiden Seiten. Allerdings wird der praktische Impact vermutlich deutlich niedriger sein als die ganzen Sanktionen, die wir gegen Banken sehen, und andere Sanktionen, die gerade gegen Russland verhängt werden."
Warum Anonymous gar keinen Krieg erklären kann
Und was ist nun mit "Anonymous" und dem erklärten Cyberkrieg? Völkerrechtlich gesehen kann ein ziviler Akteur nicht einem Staat den Krieg erklären. Der Jurist und Professor für IT-Sicherheitsrecht an der Uni Bremen, Dennis-Kenji Kipker, sieht die privaten Hacks ohnehin sehr kritisch:
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Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.