Facebook verlangt von seinen Usern, dass sie sich mit ihrem echten Namen anmelden. Doch die Klarnamenpflicht ist unzulässig - zumindest für ältere Accounts, entschied der BGH.
Beleidigungen, Bedrohungen, Hass - wer sich auf Facebook politisch äußert, muss oft einen so genannten Shitstorm fürchten. "Die Bandbreite an Reizthemen ist heute wahnsinnig groß", berichtet Josephine Ballon, die sich als Rechtsanwältin mit dem Verein HateAid für Betroffene digitaler Gewalt einsetzt. Gleich, ob zu Feminismus oder zu Tierschutz, viele Menschen trauten sich nicht mehr, im Internet ihre Meinung zu mitzuteilen.
Facebook, das weltweit größte soziale Online-Netzwerk, erhofft sich durch eine Klarnamenpflicht ein besseres Diskussionsklima auf seiner Plattform. In den Nutzungsbedingungen steht seit Facebooks Gründung, dass User sich mit ihrem echten Vor- und Nachnamen anmelden müssen. Profile sind auch mit diesem Namen für andere sichtbar. Wer dagegen verstößt, dessen Konto kann Facebook sperren.
Zwei Personen klagten gegen Klarnamenpflicht
Diese Sperrung erfuhren ein Mann und eine Frau aus Bayern. Sie verklagten Facebook, um den Dienst unter einem Pseudonym nutzen zu können.
In letzter Instanz entschied nun der Bundesgerichtshof: Facebook kann zwar verlangen, dass Nutzer sich beim Netzwerk intern mit Klarnamen registrieren. Sichtbar für andere Mitglieder muss der echte Name aber nicht sein, hier muss Facebook Pseudonyme zulassen.
Das Urteil gilt für alle Accounts, die vor dem 25. Mai 2018 erstellt wurden. Seitdem hat sich die Rechtslage geändert. Ob jüngere Accounts danach anders zu bewerten sind, dazu sagten die Richter des dritten Zivilsenats am BGH nichts.
Studie zu Auswirkungen von Anonymität
Die Klarnamenpflicht wird seit Langem kritisiert. Ob Menschen sich, wie von Facebook erhofft, unter echtem Namen im Internet tatsächlich mäßigen, ist wissenschaftlich nicht belegt. Eine Studie der Universität Zürich aus dem Jahr 2016 legt sogar das Gegenteil nah. So erklärt es Lea Stahel, die als Digital-Soziologin an der Studie mitgewirkt hat, das Ergebnis.
Nutzer auch ohne Klarnamen bei Straftaten ermittelbar
Kritiker einer Klarnamenpflicht fürchten zudem Kollateralschäden zu Lasten einer offenen Kommunikation im Netz. Es gebe berechtigte Gründe dafür, anonym zu bleiben, gibt auch Soziologin Stahel zu Bedenken. Im Schutze der Anonymität fänden Menschen eher den Mut, im Netz Hilfe zu heiklen Themen wie Missbrauch oder Suchtproblemen zu suchen.
Auch Betroffenen-Anwältin Josephine Ballon ist gegen eine Klarnamenpflicht. Für die Verfolgung von Straftaten genüge es, wenn Nutzer beispielsweise über ihre Telefonnummer für Ermittlungsbehörden nachverfolgbar wären. Echte Profilnamen brauche es dafür nicht. Und Facebook kann sie nach dem heutigen BGH-Urteil jedenfalls von langjährigen Nutzern auch nicht mehr verlangen.
Samuel Kirsch ist Jurist in der ZDF-Redaktion Recht & Justiz