Ab Februar müssen Facebook und Co. Hasskommentare an das Bundeskriminalamt weiterleiten. Wie sich die Polizei-Behörde auf die Flut von 250.000 Meldungen pro Jahr vorbereitet.
Sie bereiten sich auf einen Tsunami aus Hass-Postings vor - doch so richtig wissen sie gar nicht, wann und ob er kommt. Die Beamtinnen und Beamten im Bundeskriminalamt üben dieser Tage, wie sie den Schmutz aus den sozialen Netzwerken systematisch durchkämmen und für die Strafverfolgung nutzbar machen können. Denn Facebook und Co. müssen ab Februar Hass und Hetze an das BKA weiterleiten - 250.000 Meldungen pro Jahr könnten es werden.
Aber ob das wirklich so kommt? Unklar. Denn Google und Facebook klagen gegen die Novelle des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, kurz NetzDG. Es verplichtet die Plattformen dazu, bei ihnen gemeldete und gelöschte Inhalte, mit Verdacht auf bestimmte Straftaten, dem Amt in Wiesbaden weiterzuleiten - inklusive der IP-Adresse der Verfasser. Strafbar sind etwa die Darstellung von Kindesmissbrauch, Volksverhetzung oder Bedrohung.
Staatsanwalt: Hass nicht nur löschen, sondern auch verfolgen
Das Ganze soll so ablaufen:
- Die Plattformen melden dem BKA die Inhalte. In einem ersten Schritt bewertet das BKA sie - denn es könnte auch sein, dass die Plattformen gar nichts Strafbares weiterleiten. Danach könnten von den 250.000 Meldungen noch 150.000 Ermittlungsverfahren übrig bleiben, schätzen Experten.
- Durch die mitgelieferte IP-Adresse kann die Polizei in einem zweiten Schritt über den Provider einen Standort auslesen lassen.
- Als drittes können polizeiliche Ermittlungen folgen, bis hin zu einem Gerichtsverfahren und einer Verurteilung.
Nicole Diekmann analysiert Hass im Netz. Was kann dagegen getan werden?
Um für die Vielleicht-Flut gewappnet zu sein, übt das BKA schon einmal mit der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) in Köln. Staatsanwalt Christoph Hebbecker arbeitet dort seit vier Jahren im Bereich Hasskriminalität. Er will, dass Hass nicht nur gelöscht, sondern auch juristisch verfolgt wird.
"Wir schulen das BKA derzeit so, damit sie die klaren Fälle erkennen können. Bei den schwierigeren können sie sich unter anderem an uns wenden, wir bewerten sie dann", so Hebbecker. An Beispielen für Hass-Posts mangelt es ihm nicht.
BKA ist Daten-Massen gewohnt
Für das BKA wäre eine solch wichtige Filterfunktion nicht ganz neu. "Wir sind mit einem solchen Massenprozess schon durch Ncmec bekannt", sagte BKA-Präsident Holger Münch am Donnerstag bei der Herbsttagung seiner Behörde.
Die US-Organisation Ncmec leitet jährlich rund 60.000 Missbrauchsdarstellungen von Kindern mit Deutschland-Bezug ans BKA weiter. Dort wiederum verteilen sie rund 50 BKA-Mitarbeiter an die zuständigen Stellen - ein ähnliches Verfahren ist mit den Hasspostings geplant. Dafür gebe es auch mehr Personal, so Münch. Er peilt 150 bis 200 Mitarbeiter für die Zentralstelle an.
Viele Frauen oder Personen, die einer Minderheit angehören und Aktivist*innen: Sie sind besonders häufig von Hass und Hetze im Netz betroffen - oft mit sexualisiertem Hintergrund.
Werden sich die Plattformen an deutsches Recht halten?
Unter das NetzDG fallen derzeit Facebook, Instagram, Youtube, Twitter, TikTok - und auch der Messenger Telegram. Weil Telegram aber nicht reagiert und Vorgaben nicht erfüllt, laufen zwei Bußgeldverfahren gegen den Anbieter, der offiziell in Dubai sitzt.
Die große Frage wird also sein, ob sich die Tech-Konzerne ab Februar deutschem Recht unterwerfen - oder ob sie erst einmal das Verfahren beim Verwaltungsgericht Köln abwarten.
ZDFheute hat die Konzerne genau das gefragt. Die meisten antworten ausweichend:
- Facebook und Instagram (Konzern Meta) wollen sich nicht äußern.
- Twitter und Telegram reagieren nicht.
- TikTok prüft "den Sachverhalt derzeit intensiv", schließt sich aber "Bedenken, die andere Unternehmen geäußert haben," an.
- Einzig Google, zu dem Youtube gehört, schreibt, es wolle eine "ausführliche Prüfung durch ein Gericht und richterliche Bestätigung" abwarten.
Youtube argumentiert mit dem Datenschutz. Beim BKA entstünden umfassende Datenbanken, "darunter zahlreiche Nutzer:innen, die sich rechtmäßig verhalten haben".
Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz kritisiert gegenüber ZDFheute:
Er kündigt weitere Gesetze gegen digitale Gewalt an - etwa beim Auskunftsrecht.
Gericht ist bemüht, noch vor Februar zu entscheiden
Mit dem brisanten Fall befasst ist das Verwaltungsgericht Köln. Ein Sprecher betont gegenüber ZDFheute, dass eine Entscheidung vor Februar fallen könnte: "Die Gerichte sind bemüht, so zu entscheiden, dass der Rechtsschutz effektiv gewährleistet ist."
Bis dahin bereiten sich die BKA-Leute weiter auf die potenzielle Hass-Flut vor - so lange herrscht geschäftige Ruhe.
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