Doku "Utopia": Was man über das Silicon Valley wissen muss

    ZDF-Doku "Utopia":Was man über das Silicon Valley wissen muss

    Claus Kleber
    von Claus Kleber
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    Ein paar Männer tüfteln im Silicon Valley an der Zukunft, die sie für uns vorsehen. Ohne Mandat, ohne Kontrolle. In "Utopia" versuchen wir zu verstehen, was sie mit uns vorhaben.

    Autorenteam hilft Kameramann René Dame (l.) den Protagonisten Han Zhang (M.) ins richtige Licht zu setzen, San Francisco.
    Erfinder und Ingenieure, Genies und Risiko-Investoren aus dem Silicon Valley verändern unsere Welt grundsätzlich in atemberaubendem Tempo und Umfang.21.07.2022 | 44:12 min
    "Es war nicht einfach, den Guru des Silicon Valley für ein Interview zu gewinnen" – hinter diesem knappen Satz in "Utopia – Irre Visionen in Silicon Valley" steckt ein Drama, typisch für das Tal, das gerade den Kurs der Menschheit bestimmt.
    Jaron Lanier reagierte nicht auf Mails an seine private Adresse, die wir seit 2014 hatten. Da gewann er für seine Social Media-kritischen Bestseller den "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels". Als dann endlich eine Antwort kam (von ihm selbst!), war sie mit unerfüllbaren Bedingungen gespickt:
    • Höchstens zwei Menschen auch nur in der Nähe meines Hauses, incl. Fahrer
    • Alles findet draußen statt
    • Ich bestimme, wo ich sitze, wie ich aussehe, wohin ich schaue
    • Niemand näher als fünf Meter
    • Alle tragen medizinische Masken
    • Keine Diskussionen oder Widerworte
    • Nach exakt dreißig Minuten ist alles vorbei, auch mitten im Satz.

    Jaron Lanier ist das Mastermind des Silicon Valley

    Inakzeptabel! Andererseits: Um zu verstehen, was die großen Konzerne im Valley treiben, was Mark Zuckerberg mit "Metaverse" im Schilde führt, weshalb sich Elon Musk vor künstlicher Intelligenz fürchtet und sie gleichzeitig vorantreibt, für alle diese großen Linien brauchten wir die Weisheit des Mannes, der vor bald vierzig Jahren den Begriff und die Technik für "Virtuelle Realität" erfand – bevor es das Internet überhaupt gab.
    Jaron Lanier
    Jaron Lanier: Ohne ihn ist das Silicon Valley nicht zu verstehen.
    Quelle: ZDF

    So stehen René Dame (Kamera/Ton/ Binldgestaltung) und ich (Fahrer/Assi/Fragensteller) vor der roten Kassettentür eines unauffälligen Hauses im Süden des Silicon Valley.

    Wir brauchen Jaron Lanier, um das Silicon Valley zu verstehen

    Schlurfen kommt näher, die Tür öffnet sich. Die massige Gestalt des Genies erscheint, meterlange Rasta-Locken ums Haupt, wache, skeptische Augen, die über der Maske streng auf uns schauen. "Good Morning, Mr. Lanier. We are here for the interview. Where shall we do it?”. "Right here!” sagt er und weist auf den Treppenabsatz. "Ein bisschen eng", meine ich erschrocken.
    "Dann eben nicht". Die Tür knallt zu. Das ging schneller als man diese Zeilen liest. Und es wurde der Moment, in dem Renè "Utopia" rettete: "Versuchen wir’s!". Er zwängt das Stativ in die Büsche, wir wenden einen großen, grell blauen Blumencontainer zum Thron für den Guru, klingeln erneut. Wieder öffnet sich die Tür. "Okay", knurrt unser Gastgeber.
    "Neuralink" ist ein Projekt von Tech-Unternehmer Elon Musk. Das Ziel: Gedanken verschiedener Menschen über eine Cloud zu verbinden. Möglich durch Mikrochips im Kopf.
    "Neuralink" ist ein Projekt von Tech-Unternehmer Elon Musk. Das Ziel: Gedanken verschiedener Menschen über eine Cloud zu verbinden. Möglich durch Mikrochips im Kopf. 19.07.2022 | 1:50 min

    Jaron Lanier warnt vor Mark Zuckerberg

    Es wurde ein unentbehrliches Gespräch. Es braucht einen Lanier - Denker, Philosoph, genialer Musiker, Ingenieur und Autor - um überhaupt zu verstehen, was da läuft. Er besteht darauf, dass die Zukunft eine humane, eine menschliche wird. Er kennt die Macher des Valley, sie haben von ihm gelernt. Vielen von ihnen traut er nicht.
    "Ich hoffe, dass Facebook keine bestimmende Kraft des Metaverse wird", sagt er.

    Zuckerbergs Geschäftsmodell würde die Menschheit in ein neues, dunkles Zeitalter treiben. Unsere Zivilisation würde das nicht überleben.

    Jason Lanier

    Wird das Gehirn bald mit dem Internet verbunden sein?

    Mehr als einmal gruseln wir uns beim Dreh und bei den Interviews. Wir treffen auf Chips aus denen sich Drähte ins Gehirn senken – Verbindungen zum Internet.
    Ein Google-Gründer lässt Tausende Flugtaxis bauen, die ohne Piloten über unsere Städte surren – noch weltweit verboten, bald schon Realität. Elon Musk will eine Million Menschen auf den Mars aussiedeln. Für Zuckerberg sollen wir einen großen Teil unseres Lebens im Metaverse verbringen, einem Internet in virtueller Realität, das uns mit Haut, Haar und Emotionen schluckt. All diese Dinge laufen schon.

    Landschaft, in die neue Häuser eingezeichnet sind.
    Die Doku Utopia - Irre Visionen in Silicon Valley sehen Sie am Dienstag, den 19.07., um 23:00 Uhr im ZDF.

    Gibt es keine Alternative zu dieser Zukunft?

    Sie sollen sich durchsetzen wie Facebook, Whatsapp, Uber und das Smartphone. Wir werden die Hirn-Chips schon einbauen lassen, wenn wir ohne sie im Wettbewerb untergehen, sagt einer der Ingenieure.
    "Das einzige, was wir vermeiden wollen, ist doch Stillstand", erklärt der Technik-Vorstand der Flugzeug-Fabrik. Wirklich? Wollen wir das? Können wir noch "Nein" sagen? Wie? Die Zeit läuft ab.

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