Den Ukraine-Krieg gebe es nicht oder er werde aufgebauscht: Absurde Behauptungen gehen im Netz viral. Als Beweis werden Fotos von Dreharbeiten gepostet. Eine Spurensuche.
Ein junger Mann steht auf einer Straße. Seine Jacke ist blutverschmiert, trotdzem lächelt er. Vor ihm eine Frau mit einem Schminkset in der Hand - mit ihren Fingern und einem Wattestäbchen schmiert sie ihm noch mehr Kunstblut ins Gesicht.
Es sind die Vorbereitungen von Dreharbeiten der TV-Serie "Contamin" in der Ukraine, aufgenommen im Jahr 2020, wie der Fotograf Artem Gvozdkov gegenüber ZDFheute bestätigte. Die Szene hat mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine nichts zu tun.
Falschbehauptungen über "Propaganda-Schauspieler"
Doch ein kurzes Video des Geschehens geht seit Tagen wieder viral: "Die Propaganda-Schauspieler der ukrainischen Regierung lächeln, während die Maskenbildnerin das Kunstblut aufträgt", schreibt ein Twitter-Nutzer über die Szene. Er unterstellt: Die Kriegsopfer sind nur von Schauspielern inszeniert. Allein sein Clip wurde insgesamt über 30.000 Mal angeschaut, rund 300 Mal retweetet, etliche ähnliche Postings finden sich bei Twitter und Facebook und wurden nach Angaben der BBC millionenfach geklickt.
Gvozdkov, der Fotograf, zeigte sich gegenüber ZDFheute wenig überrascht vom Missbrauch seiner Bilder: "Putins Propaganda hatte ja zuvor schon den Russen und der ganzen Welt weisgemacht, dass die Ukraine selbst ihre eigenen Städte bombardiere."
Dreharbeiten als "Beweis" für inszenierten Krieg
Doch diese absurden Tweets sind nicht die einzigen: Immer wieder gehen Postings in Sozialen Medien viral, in denen behauptet wird, der Krieg in der Ukraine werde übertrieben dargestellt oder sei sogar komplett inszeniert.
Auch in einem weiteren Fall wurden Videos von Dreharbeiten als vermeintlicher Beweis verwendet, dass der Ukraine-Krieg gar nicht existiert: Unter anderem in einem Twitter-Video ist eine Menschenmenge auf einem Platz zu sehen, die nach dem Megafon-Kommando des Aufnahmeleiters panisch schreiend auf die Kamera zuläuft.
"Das Video wurde in der Ukraine inmitten der 'massiven und beängstigenden' russischen Invasion aufgenommen", behauptet der Twitter-Nutzer - und deutet an, dass es die russische Invasion so nicht gäbe. Das Video erzielte auf mehreren Plattformen zigtausende Aufrufe.
Tatsächlich jedoch stammt das Video aus Birmingham, wie eine Bilder-Rückwärtssuche ergibt. Es zeigt Dreharbeiten im Jahr 2013 für den Science-Fiction-Film "Invasion Planet Earth". Der Regisseur des Films, Simon Cox, schrieb auf Twitter, er sei "schockiert zu sehen, dass mein Filmmaterial so verwendet wird".
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Webcams sollen intakte Städte zeigen
Immer wieder teilen Nutzer in Sozialen Medien Streams von Webcams aus der Ukraine, um zu belegen, dass dort kein Krieg herrscht oder die Berichte übertrieben sind. Tatsächlich vermitteln manche Webcams, beispielsweise vom Stadtkern in Kiew, ein friedliches Bild. Doch die Kämpfe toben derzeit ausschließlich in Regionen vor der Stadt.
Andere teilen Webcams der vom Krieg gezeichneten Hafenstadt Mariupol, wo die Situation vom Internationalen Roten Kreuz als "apokalyptisch" bezeichnet wird. Dennoch zeigt das Vorschaubild der Kamera eine intakte Stadt mit grünen Bäumen - das Foto selbst ist nicht aktuell. Startet man die Übertragung, sieht man Live-Bilder aus anderen Städten. Kein Wunder: Strom und Internet sind in Mariupol weitgehend ausgefallen.
Ukrainer mit Holzwaffen
Ein Video, das vom US-Sender "Fox News" ausgestrahlt wurde, zeigt zwei Männer in der Ukraine, die Holzwaffen tragen. Screenshots aus diesem Clip wurden beispielsweise bei Telegram, Facebook und Twitter verwendet, um scheinbar zu belegen, dass es keinen Krieg in der Ukraine gibt. "Nichts ist echt. Es ist alles nach Drehbuch“, heißt es in einem vielfach geteilten Posting.
Doch auch hier zeigt eine Foto-Rückwärtssuche: Das Bild wurde vor dem Krieg aufgenommen. Die Foto-Website alamy.com gibt als Datum den 19. Februar 2022 an - das Foto wurde bei einer Übung des ultranationalistischen "Asow-Bataillons" gemacht, bei der zivile Freiwillige ausgebildet werden sollten.