Weil Europa den Schusswaffen-Zugang streng reguliert, entwickeln Aktivisten im Netz Pläne, um Waffen mit 3D-Druckern zu bauen. ZDFheute hat Verbindungen nach Deutschland gefunden.
Jeder in Deutschland soll ganz einfach und von Zuhause aus eine Waffe herstellen können. Das ist die Vision eines Online-Netzwerks von Waffen-Enthusiasten, das in Europa und auch in Deutschland aktiv ist. Sie verbreiten Bau-Anleitungen für "Geisterwaffen" aus dem 3D-Drucker, die keine Seriennummer haben und deshalb nicht rückverfolgbar sind. In Deutschland ist die private Herstellung von Waffen illegal.
Bislang tauschten sich Mitglieder des Netzwerks Deterrence Dispensed vor allem über die Plattform Keybase aus. Mehr als 26.600 User*innen waren ihrem Kanal beigetreten. Sie posteten Fotos ihrer selbstgebauten Waffen und diskutierten über die besten Materialien. Doch seit Mittwoch geht das nicht mehr. Keybase verbietet nun Inhalte, die sich um die Herstellung von Waffen drehen. Das Netzwerk musste die Kommunikationskanäle wechseln - doch ZDFheute konnte sich davor umsehen und hat auch Verbindungen nach Deutschland gefunden.
Plastikwaffe FGC-9: Zu 80 Prozent ausdruckbar
Deterrence Dispensed ist das Projekt eines Mannes, der sich JStark1809 nennt. Er gilt in der Szene als Pionier, denn er hat eine Waffe gezielt für den europäischen Raum entwickelt, für den striktere Waffengesetze gelten als etwa in den USA. JStark1809 hat die FGC-9 designt, ein halbautomatischer Karabiner, der sich zu 80 Prozent mit einem 3D-Drucker herstellen lässt, wie er kürzlich in einer Dokumentation erzählte. Die restlichen Teile ließen sich legal in Europa kaufen, teilweise im Baumarkt, teilweise im Internet.
FGC steht für Fuck Gun Control, die 9 für 9-Millimeter-Munition.
Deutsches Mitglied: Waffe selbst hergestellt
Die Mitglieder in dem mittlerweile gelöschten Forum legen großen Wert auf Anonymität. ZDFheute hat dennoch Hinweise auf zahlreiche europäische Nutzer*innen gesammelt. Ein Mitglied aus Großbritannien etwa berichtet, dass man den Kunststoff für den Drucker bei Aldi kaufen könne. Ein anderes gibt auf Niederländisch Tipps für einen Online-Shop. Wieder jemand anderes fragt nach Teilen für den Versand nach Polen.
Auch konkrete Bezüge zu Deutschland tauchen auf. Ein User schreibt, er befinde sich in Deutschland und fragt nach jenen Teilen, die man für die FGC-9 nicht drucken kann und kaufen muss. Ein anderes Mitglied berichtet davon, die FGC-9 und andere Waffen gebaut zu haben. Im Dezember schrieb der User:
ZDFheute hat mit dem User geschattet. Er bestätigte, sich in Deutschland zu befinden, wollte aber nicht beantworten, was genau er mit dem "schlimmsten Fall" meint.
Von einem "Tag X", an dem der Staat zusammenbreche, fantasieren immer wieder Rechtsextreme. Deterrence Dispensed verwehrt sich aber gegen solche politischen Einordnungen. ZDFheute hat mit "Ivan the Troll", eine Art Sprecher von Deterrence Dispensed, telefoniert. Er hat an der FGC-9 mitgearbeitet und gibt sich als Tüftler, Waffen-Fan und Freiheits-Kämpfer. Über seine Motivation sagt er:
Deterrence Dispensed fordert die Möglichkeit zur Selbstbewaffnung, um sich gegen autoritäre Strukturen wehren zu können. Europa brauche laxere Waffengesetze, denn auch hier könnten rigide Herrscher an die Macht kommen.
BKA: Keine konkrete Bedrohung durch Waffen aus 3D-Druckern
Doch ein Recht auf den Besitz und das Tragen von Waffen wie in den USA gibt es in Deutschland nicht. Hersteller von Waffen benötigen hierzulande eine Erlaubnis. Die FGC-9 im Keller auszudrucken, zusammenzubauen und dort zu testen, wie Deterrence Dispensed das vorschlägt, ist illegal. Auch das Tragen von Waffen ist ohne Erlaubnis verboten. Die Verbreitung der Baupläne ist hingegen nicht reguliert.
Wie realistisch ist es, dass sich Menschen ihre Waffe ausdrucken? Mathias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagt ZDFheute, das sei "relativ aufwendig und kostenintensiv". Er glaubt:
Das Bundeskriminalamt sieht bei der privaten Waffenproduktion mit 3D-Druckern "keine konkrete Bedrohungssituation für die Bevölkerung".
Attentäter von Halle nutzte 3D-Druck-Technik
Doch der Attentäter von Halle besaß eine Waffe, bei der Teile aus dem 3D-Drucker stammten. Und die Foren-Einträge von Deterrence Dispensed legen nahe, dass Menschen in Deutschland die FGC-9 nachgebaut haben. Die Frage lautet also: Funktioniert die Waffe auch?
Das BKA hatte 2013 die Plastikwaffe "Liberator" getestet. Sie habe sich "bei den Schussversuchen zerlegt". Die FGC-9 habe man noch nicht getestet. Ihr Erfinder JStark1809 ballerte mit ihr aber im Wald herum - und die Waffe hielt Stand.
Der Autorin auf Twitter folgen: @julia__klaus
[Waffen sind das eine - Munition das andere. Lesen Sie auch: So leicht lässt sich Munition in Deutschland bestellen und herstellen. Ein Selbstversuch]