Neues gab es in der Aktuellen Stunde zu den Auswirkungen der geplanten EU-Urheberrechtsreform kaum. Das Prägnanteste war, wen die Bundesregierung vorschickte: die zweite Reihe.
Es hätte spannend werden können: Wie oft stellen sich schon Unionspolitiker offen der Kanzlerin? Wie oft twittert eine Bundesministerin, dass sie einer Regelung zugestimmt habe, hinter der sie eigentlich gar nicht stehe?
Oder, in Zahlen: Wie oft übergeben Aktivisten knapp fünf Millionen Unterschriften an eben diese Ministerin?
Bekannte Argumente
Hätte, hätte, Fahrradkette. De facto aber tauschten am Mittwoch im Bundestag weitestgehend Politiker aus der zweiten Reihe als Abgesandte ihrer Parteien vor einer lichten Regierungsbank hinlänglich bekannte Argumente aus.
Erstaunlich, da nicht nur die Befürworter der EU-Urheberrechtsreform nicht müde werden, zu betonen, wie wichtig sie sei, sondern auch ihre Gegner: So wichtig sei sie, dass man teils schmerzhafte Kompromisse eingegangen sei.
"Besserer Kompromiss nicht zu erhalten"
Er wolle nicht verhehlen, so auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Christian Lange (SPD), "dass wir uns andere, netzaffinere Lösungen hätten vorstellen können. Ein besserer Kompromiss war in Brüssel aber nicht zu erhalten, und das Scheitern der gesamten Linie zu riskieren, das wollten wir nicht."
"Wir" meint vor allem seine Chefin, Bundesjustizministerin Katharina Barley, SPD. Es geht in erster Linie um Artikel 13: Plattformen sollen für Verstöße gegen Urheberrechte haften. Ohne den Einsatz von Uploadfiltern ist das kaum möglich: Nach Angaben von Youtube werden dort pro Minute 400 Stunden Videomaterial hochgeladen. Diese Masse nach Urheberrechtsverstößen zu sichten, ist Menschen nicht möglich. Das Problem: Uploadflter sind fehlerhaft. Sie könnten zu irrtümlichen Sperrungen führen. Einige Befürchtungen gehen noch viel weiter: Solche Filter könnten auch eingesetzt werden zum Zwecke der Zensur.
Koalitionsvertrag in dieser Frage hinfällig?
Lange – und erstaunlicherweise zum Teil auch heute noch – argumentierte man, das Wort "Uploadfilter" stehe ja im Entwurf gar nicht drin. Doch selbst Kanzlerin Angela Merkel als auch Bundesjustizministerin Barley widersprechen inzwischen nicht mehr – und damit auch nicht, dass sie faktisch ihren eigenen Koalitionsvertrag zu brechen drohen. Dort nämlich tauchen die Uploadfilter sehr wohl auf – und werden als "unverhältnismäßig" abgelehnt.
In der SPD, aber auch in der Union rumort es. Im Bundestag aber plädierte Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, für Artikel 13: "In dem Dreiecksverhältnis zwischen Künstlern, Plattformen und Nutzern hat sich eine Geschäftsmodell etabliert, das unfair ist." Die geplante Reform werde dies zugunsten von Künstlern korrigieren.
Opposition einig
Selten einiger Widerspruch dagegen bei den Oppositionsparteien: Sie alle lehnen die geplante Reform ab. Petra Sitte von der Linken, deren Fraktion die Aktuelle Stunde beantragt hatte, sprach von lobbygeleiteter Politik: Artikel 13 stamme "von der Wunschliste großer Medienunternehmen", die an den Einnahmen von Verwertungsgesellschaften beteiligt seien, also mitverdienen würden, zulasten von Künstlern.
Tabea Rößner von den Grünen warf Union und SPD, vor, "rumgeeiert zu haben" und Rechtsunsicherheit zu schaffen. Manuel Höferlin von der FDP nannte den Entwurf "innovationsschädigend ohne Ende". Joana Cotar von der AfD betonte noch einmal den Bruch des Koalitionsvertrages und äußerte die gewagteste These dieser Debatte: "Man will das Internet als Ort der freien Meinungsäußerung zerstören, weil es den Etablierten ein Dorn im Auge ist."
Am 23. März soll es europaweite Proteste gegen die Reform geben, die das EU-Parlament wenige Tage später beschließen will. Auch dort wird es, wie schon bei den vorhergehenden Protesten, wieder Plakate mit "Nie wieder CDU" und "Nie wieder SPD" zu sehen geben. Und das dürfte auch die wenig prominent besetzte Fragestunde heute erklären: Gerne lässt man sich mit diesen Plänen nicht in Zusammenhang bringen.
Nicole Diekmann ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.