Gestürmte Wahllokale, dutzende Festnahmen: Zehntausende demonstrierten in Algerien gegen die Wahl. Tebboune hat sie gewonnen - aber damit wird der Protest nicht enden.
Abdelmadjid Tebboune ist zum neuen Präsident von Algerien gewählt worden. Er wurde acht Monate nach dem Rücktritt des langjährigen algerischen Staatschefs Abdelaziz Bouteflika mit 58 Prozent der Stimmen zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Die Wahl wurde von Demonstrationen und Gewalt überschattet. Kurz nach der Bekanntgabe gingen in Algier Tausende Menschen auf die Straße und protestierten.
Die mehrfach verschobene Präsidentschaftswahl in Algerien ist heute unter Massenprotesten nachgeholt worden. In der Hauptstadt Algier gingen Tausende Menschen auf die Straße.
Wer Abdelmadjid Tebboune ist
Der 74-Jährige ist Mitglied der algerischen Regierungspartei FLN des zurückgetretenen Präsidenten Bouteflika. Er war auch unter Bouteflika mehrfach Minister und 2017 schließlich drei Monate lang Ministerpräsident. Weil er Mitglieder des inneren Zirkels um den damaligen Staatschef kritisiert hatte, wurde er kurzerhand wieder abgesetzt.
Tebboune hatte im Wahlkampf versucht, sich von seiner Arbeit als Regierungsmitglied Bouteflikas zu distanzieren. Er gilt zudem als Vertrauter von Armeechef Ahmed Gaid Salah. Er hatte aber immer wieder bestritten, von der Armee unterstützt zu werden.
Wie die Protestbewegung entstand
Die Protestbewegung, die sich im Februar formierte, hatte den seit 20 Jahren herrschenden Bouteflika im April wenige Wochen vor dem offiziellen Ende seiner vierten Amtszeit zum Rücktritt gezwungen. Eine für den 4. Juli geplante Wahl seines Nachfolgers war aus Mangel an Kandidaten verschoben worden. Die Protestbewegung fordert weitreichende politische Reformen vor einem Urnengang und lehnte die Wahl deshalb ab.
Zu der Präsidentschaftswahl waren fünf Kandidaten zugelassen gewesen. Ihnen allen wurde vorgeworfen, dem alten Führungszirkel aus der Bouteflika-Ära anzugehören. Drei von ihnen waren in früheren Regierungen von Bouteflika vertreten, davon zwei als Ministerpräsidenten.
Weitere Proteste stehen bevor: Ein Demonstrant sagte der Nachrichtenagentur AFP, er werde auch am Freitag auf die Straße gehen, um zu zeigen, dass er den Urnengang nicht anerkenne. Die Proteste würden weitergehen, bis es in dem Land Demokratie gebe.
Wahl unter Massendemos und Gewalt
Zehntausende protestierten alleine in der Hauptstadt Algier gegen den Urnengang. Als Demonstranten versuchten, ein Wahlbüro im Stadtzentrum zu schließen, setzte die Polizei Tränengas gegen die Demonstranten ein.
In mehreren Regionen im Osten Algeriens, der von Berbern dominiert ist, wurden die meisten Wahlbüros am Donnerstag jedoch aus Sicherheitsgründen von der Wahlbehörde geschlossen. Demonstranten hatten dort bereits am Morgen Wahllokale gestürmt und die Urnen und Wahlzettel aus den Fenstern geworfen.
In der Stadt Bouira setzten Demonstranten das Büro der nationalen Wahlbehörde in Brand, wie auf Videos in den sozialen Netzwerken zu sehen war. Wie die staatliche Nachrichtenagentur APS am Freitag berichtete, waren mindestens 20 Demonstranten verhaftet worden.
Die Wahl im flächenmäßig größten afrikanischen Land war hochumstritten. Wahlbeobachter der EU waren nicht zur Überwachung der Wahl eingeladen. Mehrere internationale Journalisten bekamen kein Visum, um direkt aus dem Land über die Wahl zu berichten.
Sehr niedrige Wahlbeteiligung
An der Präsidentschaftswahl beteiligten sich laut Wahlbehörde so wenige Menschen wie noch nie seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1962. Die Wahlbeteiligung lag bei 39,93 Prozent. Sie war damit mehr als zehn Prozentpunkte niedriger als bei der vorangegangenen Präsidentschaftswahl im Jahr 2014, bei der Bouteflika seinen vierten Sieg davon getragen hatte.
Das Staatsfernsehen verbreitete Bilder von langen Schlangen in den Wahllokalen in einigen Regionen des Landes. Die Wahl sei in einer feierlichen Atmosphäre verlaufen, wie es sie seit der Unabhängigkeit von Frankreich nicht mehr gegeben habe, sagte der Präsident der Wahlbehörde, Mohamed Charfi, bei einer Pressekonferenz.
Wie die Krise die Wirtschaft hemmt
Die politische Krise in Algerien hat auch Auswirkungen auf die Wirtschaft im Land. Der deutsche Autokonzern Volkswagen teilte auf dpa-Anfrage mit, dass die Produktion im algerischen Montagewerk, wie auch Lieferungen an den offiziellen Vertriebspartner im Land eingestellt worden seien. Hintergrund sind Korruptionsermittlungen gegen den Geschäftsführer des algerischen Unternehmens Sovac, Mourad Oulmi. Das Unternehmen ist seit 1999 Vertriebspartner von Volkswagen.
Das Montagewerk in Algerien wird in einem Joint Venture betrieben, an dem Volkswagen fünf Prozent der Anteile besitzt. Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Volkswagen AG sind dem deutschen Autokonzern nicht bekannt.