Der Papst hat seine Kardinäle gezwungen, in den Abgrund des Missbrauchs zu schauen. Klare Vorgaben blieb er aber schuldig.
Eine Jahrhundertantwort auf ein Jahrhundertproblem sei die Rede des Papstes nicht gewesen, kommentiert Chefredakteur Peter Frey zum Abschluss des Anti-Missbrauchsgipfels der Katholischen Kirche. Er hätte "Systemfehler seiner Kirche benennen müssen".
Franziskus ist in der Defensive. Als Papst, der das Papamobil in der Garage stehen lässt, hat er sich viele Sympathien erworben. Aber heute steckt er fest, im Machtkampf zwischen Reformern und Bewahrern, in den Intrigen und kaum verdeckten Machtkämpfen im Vatikan.
Mit der Synode hat Franziskus seine Kardinäle und Bischöfe gezwungen, in einen Abgrund zu schauen. In den Abgrund des Missbrauchs, der von Australien über Europa bis in die USA zehntausendfach von Priestern, selbst höchsten Würdenträgern, begangen wurde. Es ist anzuerkennen: Noch nie wurde im Vatikan so klar ausgesprochen, dass es auch in der Kirche Machtmissbrauch gibt, der zu sexualisierter Gewalt, Verbrechen und schwerer Schuld führt.
Gehemmter Hoffnungsträger
Doch Franziskus bleibt auf halber Strecke stecken. Sieht satanische Kräfte am Werk, wo er Systemfehler seiner Kirche hätte benennen müssen. Der Hoffnungsträger wirkte merkwürdig gehemmt. So richtig es ist, auf sexualisierte Gewalt und ihre Opfer im Alltag hinzuweisen, auf Sextourismus oder digitale Pornographie, heute hätte es eine klare Ansage des Papstes gebraucht, wie er in der Kirche selbst solche Exzesse in Zukunft verhindern und sie wieder glaubwürdig machen will.
So erwähnte der Papst den Pflichtzölibat als Teil des Problems nicht einmal oder den Umgang mit Homosexualität in der Kirche. Bei den Entschädigungen für die Opfer oder den rechtlichen Konsequenzen für die Täter gab der Papst keine neuen, konkreten Vorgaben.
Die Last liegt jetzt bei den Ortskirchen. Sie müssen Verantwortliche benennen, mit dem Vertuschen aufhören, mit Staatsanwälten zusammenarbeiten. Die erhoffte Unterstützung hat Franziskus heute nicht geliefert. Wenn der Oberhirte nicht entschlossen durchgreift, ist auch von den Bischöfen wenig Mut zu erwarten.