Die rechte Gruppe "Atomwaffen Division" bedroht Grünen-Politiker. Sie entstammt der US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung. Dass sie in Deutschland aktiv wird, verwundert nicht.
Der Mord am Kasseler Regierungpräsidenten Walter Lübcke ist fünf Monate her. Das gescheiterte Attentat auf eine Synagoge in Halle geschah vor fast vier Wochen. Innenminister Horst Seehofer präsentierte kürzlich einen Neun-Punkte-Plan, um Rechtsextremismus einzudämmen. Doch die Szene scheint das kaum einzuschüchtern.
Am Wochenende berichteten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe, dass Cem Özdemir und Claudia Roth, Bundestagsabgeordnete der Grünen, auf einer Todesliste stehen. Eine Gruppe namens "Atomwaffen Division Deutschland" bedrohte sie in Mails.
An den türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten Özdemir schrieb die Gruppe: "Zurzeit sind wir am Planen wie und wann wir Sie hinrichten werden, bei der nächsten öffentlichen Kundgebung? Oder werden sie von uns vor ihrem Wohnort abgefangen?"
Was ist die "Atomwaffen Division"?
Die "Atomwaffen Division" (AWD) ist eine 2015 in den USA gegründete rechtsterroristische Gruppe, die zum bewaffneten Kampf gegen die Demokratie und Minderheiten aufruft und einen "Rassenkrieg" propagiert. Mitglieder und Sympathisanten der Gruppe sollen in den USA fünf Morde verübt haben. Gegen mehrere Mitglieder wurde wegen geplanter Anschläge ermittelt.
Auch in Deutschland hat sich ein Ableger der AWD gegründet. Darauf deutet ein Video vom Juni 2018 hin. Ein vermummter Sprecher ruft auf Deutsch dazu auf, der AWD zu folgen. Er spricht von einem "langen, letzten Kampf", der bald kommen werde. Hinter ihm hängt eine Hakenkreuz-Flagge, er selbst trägt Kleidung mit dem Emblem von AWD. An deutschen Universitäten sind seitdem Flugblätter der Gruppe aufgetaucht - und nun die Mails an Özdemir und Roth.
Dass eine Gruppe der amerikanischen Alt-Right in Deutschland Fuß fasst, wundert die Rechtsextremismusexpertin Julia Ebner nicht. Die Netzwerke der Alt-Right und der Neuen Rechten seien sehr international. "Die Art und Weise, wie rechtsextreme Trollarmeen agieren, haben sich viele von der US-Alt-Right abgeschaut. In zahlreichen rechtsextremen Online-Netzwerken sind sowohl US-amerikanische Nutzer als auch Nutzer aus ganz Europa und auch aus Deutschland aktiv. Oft vermischt sich das", sagt Ebner.
AWD ist in den USA vor allem über das Internet vernetzt, einige Mitglieder kennen sich aber auch persönlich. So gab es mindestens vier Treffen, bei denen sie Schießübungen veranstalten, wie Pro Publica (eine US-amerikanische Nichtregierungsorganisation für investigativen Journalismus) recherchierte. Ein Video zeigt Vermummte in Tarnkleidung, das AWD-Symbol auf ihrem Arm. Sie schreien "Race War now" - "Rassenkrieg jetzt"
Dass sich die Gruppe online wie offline trifft, bietet enormes Radikalisierungspotenzial. "Wenn es mehrere Mitglieder gibt, die zusammenarbeiten, hat das eine andere Dimension als einzelne Individuen, die sich in Online-Netzwerken radikalisieren, die Planung dann aber alleine und isoliert durchführen", sagt Extremismusexpertin Ebner. Ein so genannter "Lone Wolf" war dagegen vermutlich der Attentäter von Halle, der am 9. Oktober einen Massenmord in einer Synagoge verüben wollte. Die Sicherheitstür hinderte ihn am Eindringen, daraufhin erschoss er eine Passantin und einen Besucher in einem Döner-Imbiss. Die Gewalttat streamte er live im Internet.
AWD seit 2018 im Visier
Grünen-Politiker Özdemir gab die Drohmail, die am 27. Oktober in seinem Büro einging, laut eigenen Angaben unmittelbar an das Bundeskriminalamt weiter. Özdemir, der wegen seiner Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der Vergangenheit massiv bedroht wurde, erhält seit längerem Personenschutz durch das Bundeskriminalamt.
Nachdem sich das Bundeskriminalamt zunächst bedeckt hielt und auf eine Kleine Anfrage der Linken verwies, wurde das Innenministerium am Montag konkret: Die Gruppierung sei seit vergangenem Sommer im Visier der Behörden. "Die deutschen Sicherheitsbehörden verfolgen die Aktivitäten dieser sogenannten "Atomwaffen Division" sehr intensiv", sagte ein Sprecher des Ministeriums. Erstmals sei die Gruppe den Behörden im Juni 2018 aufgefallen. Es gebe Anhaltspunkte für Aktivitäten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.