Die Schieneninfrastruktur in Deutschland: unterfinanziert und in einem besorgniserregenden Zustand. Zu diesem Fazit kommen 270 Bahn-Betriebsräte, die nun Verbesserungen fordern.
Quelle: David Young/dpa
In einem Brandbrief an den Bundesverkehrsminister haben rund 270 Bahn-Betriebsräte mehr Investitionen in die Infrastruktur gefordert. "Auch 25 Jahre nach der Bahnreform ist die Schieneninfrastruktur des Bundes weiter dramatisch unterfinanziert und hat aus unserer Sicht einen besorgniserregenden Zustand erreicht", heißt es in dem Brief an Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Über das Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, hatte zuvor die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet.
Für die Modernisierung der Schiene, sogenannte Ersatzinvestitionen, fordern die Betriebsräte zusätzliche 2,7 Milliarden Euro pro Jahr. Nach den derzeitigen Haushaltseckwerten soll die Bahn ab 2020 jährlich 4,5 Milliarden Euro bekommen, um ihr Netz instand zu halten. Das ist schon eine Milliarde mehr als bisher - aber aus Sicht der Bahn-Betriebsräte immer noch zu wenig.
Brandbrief: jährlich 10 Milliarden Euro zusätzlich
Um alle versprochenen Verbesserungen umsetzen zu können, braucht die Bahn nach Angaben der Verfasser bis 2030 insgesamt jährlich zusätzliche 10 Milliarden Euro. Dazu zählten neben dem Schienenausbau etwa auch die Digitalisierung der Fahrzeuge oder der Umbau von Bahnhöfen.
Nicht nur die Kunden, auch die Mitarbeiter des Staatskonzerns bekommen nach Aussage der Betriebsräte die Auswirkungen des maroden Netzes zu spüren. Sie müssten die veraltete Infrastruktur immer wieder reparieren und einen sicheren Betrieb garantieren - "oft am Rande der persönlichen Belastungsgrenze oder darüber hinaus", wie es weiter in dem Brief heißt. Auch Bahnchef Richard Lutz wies auf die Probleme hin: "Wenn unsere Gleise Menschen wären, wäre jeder sechste jenseits des Rentenalters und müsste trotzdem jeden Tag einen verdammt harten Job erledigen", sagte er im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".
Bahn rechnet mit fünf Millionen neuen Fahrgästen
Der Brandbrief kommt zu einem besonderen Zeitpunkt: Erst vor wenigen Tagen brachte Verkehrsminister Scheuer den Vorschlag ein, die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrten im Fernverkehr zu senken. Bahnchef Lutz rechnet mit deutlich mehr Fahrgästen, falls es zu der Steuersenkung kommt. "Unsere Analysen zeigen, dass wir über fünf Millionen zusätzliche Reisende im Fernverkehr gewinnen könnten", sagte Lutz im "SZ"-Interview.
Die Bahn unterstütze den Vorschlag von Verkehrsminister Andreas Scheuer "ohne Wenn und Aber". Nach den Plänen des CSU-Politikers solle die Mehrwertsteuer auf Tickets von 19 auf 7 Prozent sinken. Lutz sagte dazu im Interview: "Es wäre Rückenwind auf dem Weg zu einer Verdoppelung der Fahrgäste." Die Bahn hatte angekündigt, die Passagierzahlen bis zum Jahr 2030 auf mehr als 200 Millionen Fernreisende zu erhöhen.