Brexit-Partei-Chef Nigel Farage will nun doch nicht in fast allen britischen Wahlkreisen antreten. Ob er Premier Johnson so zu einer Mehrheit verhelfen kann, ist dennoch fraglich.
Nigel Farrage hat bei einer Wahlkampfveranstaltung in der nordostenglischen Hafenstadt Hartlepool erklärt, dass die Brexit-Partei sich nicht um die 317 Mandate bewerben wolle, die bei der vergangenen Wahl von der Konservativen Partei gewonnen wurden. Stattdessen wolle sie sich ganz auf die Wahlkreise konzentrieren, die im Parlament bislang von Labour und pro-europäischen Parteien vertreten werden.
Bis vor Kurzem hatte Farage Schützenhilfe für die Tories von Premierminister Boris Johnson ausgeschlossen, solange die sich nicht zu einem EU-Austritt ohne Abkommen bekennen. Johnson hofft bei der Wahl am 12. Dezember auf eine stabile Mehrheit, um seinen nachgebesserten Brexit-Deal durchs Unterhaus zu bringen. Den hatte Farage bislang abgelehnt mit der Begründung, es handele sich nicht um einen "echten Brexit". Konservative Politiker fürchteten, die Konkurrenz von rechts könnte sie wichtige Stimmen kosten.
Ausgelöst hat den Sinneswandel bei Farage angeblich eine Äußerung Johnsons. Der Regierungschef habe sich dazu bekannt, die künftigen Beziehungen mit der EU im Rahmen eines Freihandelsabkommens nach dem Vorbild Kanadas zu gestalten, sagte Farage. "Das hat für mich einen großen Unterschied gemacht." Bislang sei immer die Rede von einer engen und besonderen Partnerschaft gewesen.
Wegbegleiter setzten Farage unter Druck
Das könnte aber auch eine Ausrede sein: Farage stand unter heftigem Druck aus den eigenen Reihen. Erst am Wochenende hatte sich sein langjähriger Wegbegleiter, der Geschäftsmann Arron Banks, für einen Pakt mit den Tories ausgesprochen. "Es ist Zeit für Nigel und seine Unterstützer, realistisch zu werden", schrieb er in einem Gastbeitrag in der "Daily Mail" und deutete an, es habe Gespräche zwischen den Konservativen und der Brexit-Partei gegeben.
Johnson trat Spekulationen entgegen, wonach er Farage eine Gegenleistung in Aussicht gestellt haben könnte - etwa eine Berufung ins Oberhaus. "Absolut nicht", sagte der Regierungschef der BBC während eines Wahlkampftermins in Wolverhampton nahe Birmingham. Er freue sich aber über die Wahrnehmung, "dass es nur einen Weg gibt, um uns aus der EU rauszubringen. Und das ist, für uns zu stimmen, konservativ zu wählen".
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Brexit - eine Chronologie der Ereignisse
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Vom Referendum bis heute: Mehr als drei Jahre nach dem "No" zur EU steht London vor einem Scherbenhaufen. Ein Überblick über die wichtigsten Etappen seit dem Austrittsvotum.
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Ja zum Brexit
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Bei dem Referendum im Juni 2016 spricht sich eine Mehrheit von 51,9 Prozent der Wähler für den EU-Austritt Großbritanniens aus. Damit verlässt erstmals ein Mitgliedsstaat die EU.
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Cameron tritt zurück
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Einen Tag nach dem Referendum erklärt Premierminister David Cameron, der für den Verbleib in der EU geworben hatte, seinen Rücktritt.
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Brexit-Befürworter übernehmen die Regierungsgeschäfte
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Im Juli 2016 wird Theresa May Premierministerin. Sie galt als EU-Skeptikerin, hatte sich vor dem Referendum aber ...
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Brexit-Befürworter übernehmen die Regierungsgeschäfte
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... den Brexit-Gegnern angeschlossen. Brexit-Wortführer Boris Johnson wird Außenminister. (Archivbild)
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Austrittserklärung bis Ende März
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Im Oktober 2016 kündigt May an, bis Ende März 2017 den Austrittsantrag nach Artikel 50 des EU-Vertrags einzureichen. Danach ...
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Zeitplan für die Verhandlungen
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... beginnen die ursprünglich auf zwei Jahre angelegten Verhandlungen mit der EU.
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Juristische Entscheidung
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Im November 2016 entscheidet der High Court: Die Regierung darf die Verhandlungen mit Brüssel nur mit Zustimmung des Unterhauses einleiten. Theresa May hält an ihrem Zeitplan fest.
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Abstimmung im Parlament
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Am 14. März 2017 stimmt das britische Parlament für das von der Regierung vorgelegte Brexit-Gesetz. Zwei Tage später wird es von Königin Elizabeth II. unterzeichnet.
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Offizielle Austrittserklärung
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Im März 2017 übergibt der britische EU-Botschafter Tim Barrow den Antrag auf einen Austritt aus der EU. Dieser löst Artikel 50 des EU-Vertrags aus, der den Austritt regelt.
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Verlorene Mehrheit
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Am 8. Juni 2017 finden auf Mays Initiative hin vorgezogene Neuwahlen statt. Die Tories verlieren ihre Mehrheit und sind nun auf die Unterstützung der nordirischen DUP angewiesen.
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Erste Konditionen vereinbart
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London und Brüssel einigen sich am 8. Dezember 2017 auf drei Hauptbereiche für die Trennung: Großbritanniens Austrittszahlung an die EU, Bürgerrechte und die irische Grenze.
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"Brexit-Minister" Davis tritt zurück
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Am 6. Juli 2018 bekommt May vom Kabinett grünes Licht, um eine "Freihandelszone" mit der EU anzustreben. Zwei Tage später tritt "Brexit-Minister" Davis aus Protest zurück.
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Boris Johnson tritt zurück
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Am 9. Juli folgt Außenminister Johnson seinem Beispiel. Im September ein weiterer Rückschlag für May: Die Staats- und Regierungschefs der EU fordern Nachbesserungen für ihre Pläne.
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Einigung auf Vertragsentwurf
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Die EU veröffentlicht am 13.11. Pläne für einen Brexit ohne Abkommen. Nur wenig später heißt es aus London, die Verhandlungspartner hätten sich auf einen Vertragsentwurf geeinigt.
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Misstrauensvotum überstanden
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May verschiebt die für den 10. Dezember 2018 angesetzte Abstimmung. Wenig später übersteht sie ein Misstrauensvotum ihrer eigenen Partei.
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Britische Parlamentarier lehnen Vertrag ab
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Das Unterhaus lehnt am 15. Januar 2019 das Abkommen zwischen der EU und Großbritannien mit überwältigender Mehrheit ab.
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Zweites Misstrauensvotum
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Die Abgeordneten sprechen Premierministerin May am 16. Januar 2019 knapp das Vertrauen aus.
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May will nochmal über Nordirland-Frage verhandeln
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Am 21. Januar 2019 stellt May ihren "Plan B" vor, der im Grunde genommen wie "Plan A" ist: Kein zweites Referendum, kein Ausschluss eines harten Brexits.
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Vermeintlicher Durchbruch in Straßburg
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Einen Tag vor der zweiten Abstimmung im Unterhaus erhält May die Zusage von EU-Kommissionspräsident Juncker, nicht auf unbestimmte Zeit an die Backstop-Regelung gebunden zu sein.
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Zweite Abstimmung, zweite krachende Niederlage
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Doch auch am 12. März 2019 scheitert die Abstimmung im Unterhaus klar. Eine krachende Niederlage für May.
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Theresa May will eine Verschiebung
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20. März 2019: Theresa May bittet in einem Brief die EU um eine Verschiebung des EU-Austritts um maximal drei Monate - bis zum 30. Juni.
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Die EU setzt auf eine Doppelstrategie
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Falls das Unterhaus in einer möglichen dritten Abstimmung doch noch zustimmt, soll der Austritt zum 22. Mai erfolgen. Falls nicht, ...
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Die EU setzt auf eine Doppelstrategie
(24/54)
... wird den Briten ein bedingungsloser Aufschub bis zum 12. April gewährt. Bis dahin müsse London den EU-Partnern einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen unterbreiten.
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May bietet Rücktritt an
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Kurz vor den Abstimmungen am 27. März 2019 bietet Theresa May ihren Rücktritt an, falls das Parlament ihr Brexit-Abkommen doch noch annimmt.
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Das Unterhaus hat eigene Pläne
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Am 27. März stimmt das Unterhaus über acht Alternativen zu Mays Brexit-Vertrag ab. Keiner der Anträge findet die Zustimmung der Abgeordneten.
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Es wird wieder abgestimmt
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Parlamentspräsident John Bercow macht schließlich den Weg für eine weitere Abstimmung über die Austrittserklärung zu. Zuvor hat die Regierung einen abgeänderten Antrag eingebracht.
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May zum dritten Mal krachend gescheitert
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Die Abgeordneten lehnen am 29. März zum dritten Mal Mays Brexit-Deal ab. London steht nun entweder vor einem langen Aufschub des Austritts - oder vor einem Brexit ohne Abkommen.
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May bietet Labour-Chef Corbyn Gespräche an
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Im April geht May auf die Opposition zu und bietet auch ein weiteres Referendum an. Die Brexit-Hardliner sind empört. Die Verhandlungen scheitern.
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Großbritannien nimmt an Europawahl teil
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Die EU und Großbritannien einigen sich auf eine "flexible" Verschiebung des Brexit bis spätestens zum 31. Oktober 2019. Das zwingt die Briten zur Teilnahme an der Europawahl.
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Nigel Farage mit Brexit-Partei im Aufwind
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Der Europawahlkampf bringt Nigel Farage mit seiner Brexit-Party viele Sympathien.
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Am 24. Mai kündigt May ihren Rücktritt an
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Ende mit Tränen: Theresa May erklärt, sie werde den Vorsitz der Konservativen Partei am 7. Juni abgeben. Damit sind auch ihre Tage als Premier gezählt.
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Brexit-Partei stärkste Kraft
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Am 26. Mai werden die Ergebnisse der Europawahl bekannt gegeben. Die Brexit-Partei belegt den ersten Platz, Tories und Labour verzeichnen große Verluste.
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Theresa May gibt Parteivorsitz auf
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Am 7. Juni tritt Theresa May dann offiziell als Vorsitzende der Tories zurück. Um ihre Nachfolge bewerben sich gleich 13 Kandidaten.
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Das neue Europaparlament tritt zusammen
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Entgegen aller Planungen sind nun auch britische Abgeordnete dabei, als das neue Europaparlament in Brüssel zusammentritt. Eigentlich waren die Sitze bereits neu verteilt worden.
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Boris Johnson gewinnt die Wahl zum Parteivorsitz
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Aus 13 Kandidaten werden zwei: Boris Johnson und Jeremy Hunt. Am Ende entscheiden sich die Tory-Mitglieder in einer Mitgliederbefragung für Johnson. Sein Sieg wird am 23. Juli verkündet.
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Theresa May tritt als Premierministerin zurück
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Einen Tag später, am 24. Juli, reicht Theresa May ihren Rücktritt vom Amt der Premierministerin bei der Queen ein.
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Boris Johnson wird neuer Premierminister
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Noch am selben Nachmittag wird Boris Johnson von Queen Elizabeth II zum neuen Premierminister ernannt. In seiner Antrittsrede macht er deutlich: Er wird den Brexit durchsetzen.
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Spannungen mit der EU wachsen
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Johnson trifft sich mit Juncker, doch die Spannungen und Meinungsverschiedenheiten können nicht gelöst werden.
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Zwangspause für das Parlament
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Premierminister Johnson schickt das britische Parlament ab dem 9. September in Zwangspause. Erst am 14. Oktober sollen die Abgeordneten wieder zusammentreten.
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Gesetz gegen harten Brexit
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Am Tag vor der Zwangspause verabschiedet das britische Parlament noch ein Gesetz, dass einen No Deal Brexit verhindern soll.
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Rückschlag für Johnson
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Der britische Supreme Court, der oberste Gerichtshof, entscheidet am 25. September, Johnsons Zwangspause für das Parlament sei verfassungswidrig.
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Unterhaus tritt wieder zusammen
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Bereits am nächsten Tag tritt das Unterhaus wieder zusammen. Es wird verbissen debattiert. Ganz oben auf der Agenda steht, mit allen Mitteln einen Chaos-Brexit zu verhindern.
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Johnsons neuer Brexit-Vorschlag
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Beim Parteitag in Manchester stellt Johnson seinen neuen Brexit-Plan vor. In einem Brief übermittelt er seine neuen Vorschläge - speziell zur Irlandfrage - am 2. Oktober an die EU.
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Wiederaufnahme der Verhandlungen in Brüssel
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Am 4. Oktober 2019 nehmen die EU und Großbritannien erneut Verhandlungen auf. Beide Seiten scheinen wenig kompromissbereit, besonders mit Hinblick auf die Irlandfrage.
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Johnson schiebt Merkel Schwarzen Peter zu
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Wenige Tage später verbreitet die Regierung Johnson nach einem Telefonat mit Merkel, die Chancen auf ein Austrittsabkommen mit der EU stünden nun sehr schlecht.
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Queen's Speech im Parlament
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Am 14. Oktober hält Queen Elizabeth II. die Queen's Speech, in der Johnson seine Regierungspläne darlegt.
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Einigung in Brexit-Verhandlungen
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Boris Johnson und Jean-Claude Juncker vermelden via Kurznachrichtendienst Twitter, man habe sich auf einen neuen Brexit-Deal einigen können.
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Unterhaus verschiebt Abstimmung über Brexit-Abkommen
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Am 19. Oktober verschiebt das Unterhaus die Abstimmung über das Brexit-Abkommen mit 322 gegen 306 Stimmen. Johnson beantragt bei der EU daraufhin widerwillig einen Brexit-Aufschub.
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Johnsons neueste Idee: Neuwahlen
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Der britische Premier gibt nicht auf und schlägt dem Unterhaus am 24. Oktober Neuwahlen für den 12. Dezember vor.
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Londoner Parlament lehnt Neuwahl-Antrag ab
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Das Parlament in London lehnt den Neuwahl-Antrag ab. Johnson will nun ein Gesetz für Neuwahlen durchpeitschen.
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Die EU gewährt einen neuen Brexit-Aufschub
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Derweil gewährt die EU eine Verlängerung des Brexit bis Ende Januar 2020. Johnson akzeptiert diese Entscheidung.
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Wende in London
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Nachdem sie sich erst dagegen gewehrt hatte, will die Labour-Partei unter Parteichef Jeremy Corbyn nun doch den von Johnson geforderten Neuwahlen zustimmen.
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Neuwahlen am 12. Dezember
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Am 29. Oktober stimmt das Unterhaus für Neuwahlen. Sogar seinen Wunschtermin kann Boris Johnson durchsetzen: Am 12. Dezember wird gewählt.
Ob das Entgegenkommen Farages für Johnson einen entscheidenden Unterschied macht, ist fraglich. Der Premier ist für einen klaren Sieg auf die Stimmen von Brexit-Befürwortern in traditionellen Labour-Hochburgen wie dem Nordosten Englands und den West Midlands um Birmingham angewiesen. Doch die Erwartung ist, dass enttäuschte Labour-Wähler eher zur Brexit-Partei von Farage überlaufen könnten, als zu den verhassten Tories. Dann könnte es möglicherweise wieder keine klare Mehrheit geben.
Labour-Chef Corbyn glaubt an "Trump-Allianz"
Labour-Chef Jeremy Corbyn sprach indes von einer "Trump-Allianz". Farage erfülle einen Wunsch von US-Präsident Donald Trump, der den Chef der Brexit-Partei und Johnson öffentlich zu einer gemeinsamen Brexit-Front aufgefordert habe. "Vor einer Woche sagte Donald Trump Farage, er solle einen Pakt mit Boris Johnson machen", sagte Corbyn. "Heute wurde Trumps Wunsch erfüllt."
Auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums hatte es in der vergangenen Woche einen Wahlpakt gegeben. Die Liberaldemokraten erklärten, mit den Grünen und der walisischen Plaid-Cymru-Partei in 60 Wahlkreisen Absprachen getroffen zu haben. Alle drei Parteien wollen den Brexit verhindern. Doch ohne eine Kooperation mit der größten Oppositionspartei Labour dürfte der Effekt verschwindend gering sein. Die drei kleineren Parteien hatten zuletzt gerade einmal 25 von 650 Mandaten im Parlament in Westminster inne.