Seit Tagen harrt die "Sea-Watch 3" vor Lampedusa aus. An Bord rund 40 Geflüchtete. Die Kapitänin war ohne Erlaubnis in italienische Gewässer gefahren. Ihr droht eine Haftstrafe.
Nach über zwei Wochen auf See entschied Kapitänin Carola Rackete: So geht es nicht mehr weiter. Die Geflüchteten auf ihrem Boot müssen an Land gebracht werden, so schnell wie möglich. Am 12. Juni hatte ihre Crew der "Sea-Watch 3" insgesamt 53 Menschen vor Libyen gerettet. Am vergangenen Mittwoch beschloss Rackete dann, ohne Genehmigung in italienische Gewässer vor Lampedusa zu fahren. Das Problem: Erst vor kurzem trat ein Dekret von Innenminister Matteo Salvini in Kraft, dass diese Entscheidung unter Strafe stellt.
Nun hat die italienische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die deutsche Kapitänin eingeleitet. Carola Rackete würden unter anderem Beihilfe zur illegalen Einwanderung und Verletzung des Seerechts vorgeworfen, so die Sprecherin der Hilfsorganisation Sea-Watch, Giorgia Linardi.
Sea-Watch rechtfertigt Entscheidung
In einer Videoschalte sagte Rackete am Freitag, die Lage an Bord sei "unglaublich angespannt" und verschlimmere sich. Johannes Bayer, Vorstand von Sea-Watch, rechtfertigte die Entscheidung: Man müsse sich vor Augen führen, in was für einer verzweifelten Situation diese Menschen sich befinden, sie seien in Not. Bayer fordert, ihnen müsse sofort geholfen werden. "Oft wird unterschätzt, wie hoch die psychische Belastung ist, wenn man gerade dem Ertrinken entkommen ist, nach Monaten oder vielleicht Jahren in libyschen Foltergefängnissen", sagt Bayer.
Quelle: Salvatore Cavalli/AP/dpa
Eine Rückkehr nach Libyen schloss die Organisation Sea-Watch wegen des Bürgerkriegs und der Menschenrechtsverletzungen dort aus. Auch die Vereinten Nationen fordern einen schnellstmöglichen Hafenzugang für die "Sea-Watch 3". UN-Sprecher Charlie Yaxley erklärt, natürlich müssten Schiffsführer internationales Recht respektieren, gleichzeitig könnten Geflüchtete nicht an einen Ort zurückgebracht werden, an dem ihr Leben in Gefahr ist, und das sei derzeit in Libyen der Fall. "Die Position der Vereinten Nationen ist ganz klar, dass Geflüchtete nicht nach Libyen zurückgebracht werden sollten", betont Yaxley.
Rückhalt für Rackete von ehemaligem Kapitän
Stefan Schmidt, Flüchtlingsbeauftragter von Schleswig-Holstein, weiß, was Carola Rackete nun drohen könnte. 2004 war er Kapitän des Rettungsschiffs "Cap Anamur" und hatte Sizilien trotz eines Verbots angelaufen. An Bord: 37 Flüchtlinge. Daraufhin musste Schmidt sich vor Gericht wegen Beihilfe zur illegalen Einreise verantworten. Erst Jahre später wurde er freigesprochen.
An Bord sei es immer der Kapitän, der das letzte Wort hat, deshalb sei es auch ganz wichtig, dass Carola Rackete die Nerven behält. "Ich bewundere sie", so Schmidt. Auch für ihn war es keine Option, die Geflüchteten wieder an Land zu bringen. Das sei damals schon so gewesen, dass Geflüchtete gesagt hätten, wenn ihr uns an die nordafrikanische Küste zurückbringt, springen wir freiwillig ins Wasser. "Jetzt ist es sogar noch schlimmer, wenn man sagt, wir bringen euch nach Libyen - da kann man auch sagen, wir bringen euch in die Hölle", findet Schmidt.
Für die Migranten auf der "Sea-Watch 3" zeichnet sich nun eine Lösung ab. Mehrere Länder, darunter auch Deutschland haben sich bereit erklärt, Geflüchtete von dem Schiff aufzunehmen, so Sea-Watch-Sprecherin Linardi. Eine Forderung Salvinis, damit sie das Schiff endlich verlassen dürfen.