Mehr Gewinn, aber auch Ärger und Klagen: Bislang ist die Übernahme des Glyphosat-Herstellers Monsanto für Bayer eher eine Belastung. Die Probleme des Chemiekonzerns im Überblick.
Traditionskonzern im Umbau
Bayer verweist gerne auf seine über 150 Jahre alte Geschichte. Die Leverkusener mischten einst in allen Feldern mit, für die Chemie gebraucht wird: Kunststoffe, Filme, Nahrungsergänzungsmittel, Medikamente für Mensch und Tier sowie Pflanzenschutzmittel. Doch in den vergangenen Jahren hat sich der Konzern stark umgebaut und viele Teile ausgegliedert, etwa 2004 die Spezialchemie unter dem Namen Lanxess oder 2015 die Kunststoff-Sparte unter dem Namen Covestro.
Monsanto-Übernahme
Vor rund drei Jahren kündigte Bayer die Übernahme von Monsanto an, einem der weltweit führenden Hersteller von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Monsanto hat neben vielen gentechnisch veränderten Pflanzen auch den weltweit am häufigsten eingesetzten Unkrautvernichter Glyphosat entwickelt. Umwelt- und Verbraucherschützer machen den Wirkstoff für den Rückgang der Artenvielfalt sowie für Krebserkrankungen verantwortlich. Bayer zahlte 56 Milliarden Euro für Monsanto. Die Leverkusener wollen weltweite Nummer eins im Geschäft mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln werden. Der Konzern will dabei vom steigenden Nahrungsbedarf der stark wachsenden Weltbevölkerung profitieren.
Um die Zustimmung der Kartellbehörden zu bekommen, musste Bayer große Teile seines eigenen Saatgutgeschäfts an den Konkurrenten BASF verkaufen sowie weitere Anteile an Tochterunternehmen veräußern. Um die Übernahme zu finanzieren, kündigte der Dax-Konzern auch den Abbau von 12.000 der nach der Übernahme nunmehr 117.000 Stellen weltweit an. In Deutschland ist jede siebte Stelle betroffen.
Nach Abschluss der Übernahme im vergangenen Jahr hatte Bayer einen Gesamtumsatz von 39,6 Milliarden Euro. Mehr als 40 Prozent davon verdiente der Konzern mit rezeptpflichtigen Medikamenten, mehr als 36 Prozent mit dem Agrargeschäft. Im ersten Quartal 2019 erwies sich die Monsanto-Übernahme zudem als gewinnbringend: Der bereinigte Betriebsgewinn stieg um mehr als 44 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro. Dass Monsanto ein wirtschaftliches Risiko bleibt, liegt an den Krebsklagen in der USA.
Krebsklagen
Zweimal schon gaben US-Gerichte Klägern recht, die ihre Krebserkrankung auf glyphosathaltige Produkte von Monsanto zurückführen, und verurteilten das Unternehmen zu Schadenersatz über dutzende Millionen Dollar. Bayer ging jedes Mal in Berufung. Am Mittwoch beantragte der Konzern vor dem zuständigen Berufungsgericht in Kalifornien die Aufhebung des Jury-Urteils im Fall des früheren Hausmeisters Dewayne Johnson.
Allerdings sind nach neuen Angaben in den USA noch 13.400 weitere Klagen gegen den Konzern anhängig. Verlieren die Bayer-Anwälte diese ebenfalls, droht die Monsanto-Übernahme zum Milliardengrab zu werden - der Imageschaden ist schon da. Zwar halten Regulierungsbehörden weltweit Glyphosat für nicht krebserregend, doch die lautstarken Kritiker werfen Monsanto vor, kritische Untersuchungen zu unterdrücken. So sieht sich Bayer gezwungen, Hunderte eigentlich dem Betriebsgeheimnis unterliegende Studien zu veröffentlichen, um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.
Aktienkurs auf Talfahrt
Wie wenig Vertrauen selbst die eigenen Aktionäre in Bayer haben, zeigte ihre Reaktion auf die Gerichtsurteile. Nachdem Bayer im ersten Prozess um Johnson im August vergangenen Jahres zunächst zu 289 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt wurde, sackte die Aktie um fast ein Fünftel ab. Eine Richterin reduzierte die Summe später auf 78,5 Millionen Dollar. Nachdem Bayer auch den Prozess gegen Edwin Hardeman Ende März verlor, fiel der Konzernwert nochmal um ein Fünftel.
Das Hardeman-Urteil wird als wegweisend für weitere US-Klagen gesehen. Insgesamt hat sich der Wert des Bayer-Konzerns seit der Ankündigung der Monsanto-Übernahme halbiert. Der Aktienkurs liegt mit aktuell rund 62 Euro so niedrig wie seit sieben Jahren nicht mehr. Konzernchef Baumann wird bei der Aktionärsversammlung deshalb nicht nur von Umweltaktivisten einiges an Kritik einstecken müssen, sondern auch von den eigenen Eigentümern.