Beim Brexit ging es voran, bei Albanien und Nordmazedonien fasste die EU keinen Beschluss. Ratschef Tusk hält das für einen Fehler - und sprach den beiden Ländern Mut zu.
Albanien und Nordmazedonien müssen auf die erhofften Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union weiter warten: Beim EU-Gipfel in Brüssel führte Frankreich die Front der Gegner an und verhinderte so die nötige Einstimmigkeit.
Eigentlich sollte das Startsignal für EU-Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien gegeben werden. Die EU-Kommission hatte Tirana und Skopje bereits 2018 bescheinigt, alle notwendigen Reformen umgesetzt zu haben. Die Mitgliedsstaaten verschoben nun zum dritten Mal ihre Entscheidung. Neben Frankreich hatten unter anderem auch die Niederlande und Dänemark große Bedenken.
Merkel: Jetziger Start wäre richtig gewesen
Kanzlerin Angela Merkel bedauerte, dass sich die EU-Staaten in dieser Frage wieder nicht einigen konnte. Das Thema werde nun wohl vor dem EU-Westbalkan-Gipfel in Zagreb im Frühjahr 2020 erneut debattiert, sagte sie zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. Sie unterstützte ausdrücklich das Anliegen Frankreichs, das Verfahren zur Aufnahme neuer EU-Mitglieder zu reformieren. Dennoch hätte sie den Start jetzt für richtig gehalten, betonte sie.
EU-Ratschef Donald Tusk rief beide Länder zum Durchhalten auf. "Bitte gebt nicht auf. Ich kann eure Frustration völlig verstehen", sagte Tusk in Brüssel. Er habe keinen Zweifel daran, dass beide Staaten eines Tages Mitglieder der EU würden. "Sie sind bereit. Leider sind einige Mitgliedsstaaten noch nicht bereit." Er halte das für einen Fehler.
Auch der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äußerte sich kritisch über die ausbleibende Einigung. "Das ist ein schwerer historischer Fehler." Die künftige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, Nordmazedonien und Albanien hätten "Außergewöhnliches geleistet", um sich der EU anzunähern. "Insofern ist es für uns wichtig, auch eine gemeinsame Perspektive mit ihnen zu entwickeln."
Nordmazedonien reagiert ernüchtert
Die Regierung Nordmazedoniens äußerte sich ernüchtert über die fortgesetzte Blockade: "Das Mindeste, was die Europäische Union uns schuldet, ist Aufrichtigkeit", schrieb Außenminister Nikola Dimitrov auf Twitter. Regierungschef Zoran Zaev verwies darauf, dass sein Land wie von der EU gefordert den Namensstreit mit Griechenland beigelegt und seine Verfassung geändert habe, um Beitrittsverhandlungen zu ermöglichen. Er hatte bereits im Juni vor einer Regierungskrise und dem Erstarken antieuropäischer Kräfte in Nordmazedonien gewarnt.
Nordmazedonien grenzt nördlich an Griechenland. Athen hatte eine Aufnahme des Lands in die EU und die Nato fast 30 Jahre lang blockiert, da es früher wie eine griechische Region "Mazedonien" hieß. In diesem Februar benannte sich das Land nach jahrelangen Verhandlungen offiziell um. Kroatien, das im ersten Halbjahr 2020 den rotierenden Vorsitz bei den EU-Ministerräten innehat, will der Erweiterungsdebatte neuen Schwung geben, wie ein Diplomat in Brüssel sagte.