Flüchtlinge und deren Verteilung bleibt ein Streitthema in Europa. EU-Kommissar Avramopoulos fordert nun einen "vorläufigen" Verteilungsmechanismus für gerettete Migranten.
Quelle: reuters
Angesichts der Flüchtlingskrise in Afrika und im Mittelmeer hat EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos einen "vorläufigen" Verteilungsmechanismus für gerettete Migranten gefordert. "Die Herausforderungen der Migration können nicht nur in der Verantwortung von Italien und Malta liegen, nur weil sich diese Staaten am Mittelmeer befinden", sagte Avramopoulos der "Welt".
Bis die neuen Regeln zur Verteilung von Flüchtlingen nach dem sogenannten Dublin-System Realität würden, müssten alle EU-Mitgliedstaaten ihre Arbeit beschleunigen und "vorläufige Vereinbarungen" finden, wie mit geretteten Flüchtlingen umzugehen sei. Dabei müssten Situationen wie bei den deutschen Flüchtlingsrettungsschiffen "Sea-Watch 3" und "Alan Kurdi" sowie ähnliche Vorfälle aus der Vergangenheit, bei denen die Kommission Einzelfalllösungen zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert hatte, verhindert werden, sagte Avramopoulos. "Nächste Woche werden wir das erste EU-Innenminister-Treffen unter finnischer Ratspräsidentschaft abhalten - ich hoffe, dass wir dort vorankommen können."
Die jüngsten Dramen auf dem Mittelmeer haben den Streit um das weitere Vorgehen in der Flüchtlingspolitik weiter angefacht. Deutsche Politiker fordern eine europaweite Lösung.
UNHCR fordert mehr Engagement in Libyen
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisierte allerdings, dass sich die EU seit dem Ende der Mittelmeer-Mission "Sophia" von "einer Notlösung zur nächsten" hangele. "Wir können nicht auf alle warten. Die aufnahmebereiten Staaten müssen jetzt vorangehen", sagte Müller der "Bild"-Zeitung. Er bekräftigte zugleich seine Forderung nach internationaler Hilfe für die Flüchtlinge in Libyen.
Ebenso äußerte sich das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). "Wir fordern die europäischen Regierungen auf, all ihre politischen Beziehungen zur libyschen Regierung zu nutzen, um eine deutliche Verbesserung der Lage für die Menschen in den Lagern zu erreichen", sagte der UNHCR-Repräsentant in Deutschland, Dominik Bartsch, der "Welt". "Ziel muss eine Freilassung aller Menschen aus den Lagern sein. Die Evakuierung der Flüchtlinge außer Landes ist eine lebensrettende Notlösung."
Sea-Watch will Spendengelder mit anderen Seenotrettern nutzen
Unterdessen will die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch gesammelte Spenden für die Kapitänin Carola Rackete mit anderen Seenotrettern gemeinsam nutzen. "Es wird ein Gremium gebildet, weil wir das Geld möglichst effektiv für die Seenotrettung einsetzen wollen, nicht nur für Sea-Watch, sondern wir wollen gemeinsam schauen, wo es am dringendsten gebraucht wird", sagte Sprecher Ruben Neugebauer der Deutschen Presse-Agentur.
In diesem Gremium seien unter anderem Vertreter von Hilfsorganisationen und von dem Netzwerk Seebrücke, das sich für die Rettung von Migranten auf dem Mittelmeer einsetzt. Ein Teil der Spenden soll für die Verfahrenskosten von Rackete verwendet werden. Nach der Festnahme der 31-Jährigen in Italien gab es eine Welle der Solidarität. Allein über den Aufruf der Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf kamen bisher knapp eine Million Euro zusammen.