Bei ihrer ersten öffentlichen Anhörung im EU-Parlament versucht Ursula von der Leyen, Kritik an ihrer Nominierung als EU-Kommissionspräsidentin auszuräumen - und Themen zu setzen.
Sie wisse, dass "wir einen holprigen Start zusammen hatten", sagte Ursula von der Leyen bei einem Treffen mit der liberalen Fraktion. "Ich kann die Vergangenheit nicht heilen." Sie sah aber die Möglichkeit, bis zur nächsten Europawahl das EU-Wahlsystem im Sinne des Parlaments zu reformieren.
Von der Leyen war vergangene Woche von den Staats- und Regierungschefs als Nachfolgerin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagen worden. Im Europaparlament gibt es Unmut darüber, dass die EU-Regierungen keinen Spitzenkandidaten der Parteien bei der EU-Wahl als Kommissionschef nominierten.
Von der Leyen: Mehr Frauen unter EU-Kommissaren
Von der Leyen sah "Signale" aus dem Rat der Mitgliedstaaten für einen Dialog, um das Spitzenkandidaten-Modell für alle Seiten akzeptabel zu machen. Ziel sei ein "ausgereiftes Verfahren", das "dem Zweck Europas dient". Von der Leyen kündigte gleichzeitig an, sie wolle in der neuen EU-Kommission dieselbe Anzahl von Männern und Frauen. Sie werde deshalb die Staats- und Regierungschefs bitten, für jeden Kommissarsposten sowohl einen Mann als auch eine Frau vorzuschlagen.
Bei einer Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Klimaneutralität zu einem ihrer Hauptziele machen. Dabei gelte es, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken und wirtschaftliche Chancen zu nutzen, sagte sie am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung der liberalen Fraktion im Europaparlament.
"Wir alle im Raum wissen, dass die Uhr tickt", sagte sie mit Blick auf Klimaveränderungen. Wenn sich die EU bei neuen Technologien an die Spitze setze, könne die Union ein Modell für die Welt sein. "Lassen Sie uns mutig und lassen Sie uns ehrgeizig sein", sagte sie.
Stärkere Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gefordert
Zudem sprach sie sich bei den Liberalen für eine stärkere Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union aus. "Ich glaube, es ist Zeit, dass Europa mehr Verantwortung übernimmt", sagte die Bundesverteidigungsministerin.
Sie stellte klar, dass sie Europa auf Dauer als festen Teil eines transatlantischen Bündnisses sehe. Doch müsse Europa aktiver in der eigenen Region werden. Deshalb habe die EU vor zwei Jahren die Verteidigungsunion auf den Weg gebracht. Denn man brauche nicht nur den politischen Willen, sondern auch die Instrumente. Europa habe ein besonderes Verständnis für eine umfassende Sicherheitspolitik. In dem Sinne sei die EU Vorreiter. "Das ist eine einzigartige Fähigkeit der Europäischen Union", sagte die CDU-Politikerin.
Sozialdemokraten entscheiden kommende Woche
Die Sozialdemokraten im Europaparlament wollen in der kommenden Woche entscheiden, ob sie von der Leyen Wahl unterstützen. "Nächste Woche werden wir eine Entscheidung in unserer Fraktion über die anstehende Abstimmung treffen", sagte die Fraktionsvorsitzende Iratxe Garcia am Mittwoch in Brüssel. In der Fraktion hatte sich von der Leyen zuvor mehr als zwei Stunden den Fragen der Abgeordneten gestellt.
Die Sozialdemokraten hätten von der Leyen "eine starke Botschaft" mitgegeben und "konkrete Forderungen" gestellt, sagte Garcia. Prioritäten ihrer Partei seien "der Kampf gegen Klimawandel, die Nachhaltigkeit unseres Sozialmodells, faire Besteuerung, Migration und Geschlechtergleichheit". Die Sozialdemokraten erwarteten, dass von der Leyen "sich hinter die unterschiedlichen Postionen" stelle.
Die Sozialdemokraten stellen die zweitgrößte Fraktion im Europaparlament nach von der Leyens konservativer EVP. Vor allem Abgeordnete der deutschen SPD haben angekündigt, gegen die CDU-Politikerin zu stimmen. Sie machen aber nur 16 von insgesamt 154 Abgeordneten in der Fraktion aus.
Geheime Abstimmung am 16. Juli
Das Europaparlament will nach bisherigem Stand am 16. Juli über die Personalie abstimmen. Nötig für die Wahl von der Leyens ist die absolute Mehrheit der aktuell 751 Mitglieder der EU-Volksvertretung. Diese liegt bei 376 Stimmen. Abgestimmt wird in geheimer Wahl. Die Fraktion könnte damit zwar eine Empfehlung geben, die Abgeordneten wären aber de facto nicht daran gebunden.