Sein Kampf für Freiheit endete in Haft: Das EU-Parlament verleiht dem uigurischen Regierungskritiker Tohti den Sacharow-Preis. Parlamentspräsident Sassoli fordert seine Entlassung.
Das EU-Parlament hat den uigurischen Aktivisten Ilham Tohti mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet. Seine Tochter nahm den Preis heute in Straßburg entgegen - Tohti selbst sitzt in China im Gefängnis. Parlamentspräsident David Sassoli sagte bei der Verleihung: Die Freiheit zu denken, bedeute nicht immer, auch in Realität frei zu sein. Er forderte China auf, den Regierungskritiker sofort freizulassen.
"Heute gibt es für die Uiguren in China keine Freiheit", sagte die Tochter des Aktivisten, Jewher Ilham. Sie hatte ihren Vater zuletzt 2013 gesehen, als beide auf dem Flughafen in Peking vor einem Flug in die USA getrennt wurden. Auf Drängen ihres Vaters trat sie die Reise damals ohne ihn an.
Quelle: DPA
Die Behörden beschuldigten Tohti, sich gegenüber seinen Studenten positiv zu gewaltbereiten uigurischen Aktivisten geäußert und sie zur Auflehnung angestachelt zu haben. Der Prozess zog scharfe Kritik ausländischer Regierungen und Menschenrechtler auf sich: Peking habe, so einen Kritiker, seiner Politik gegenüber den Uiguren zum Schweigen bringen wollen. 2014 wurde Tohti von einem Gericht in der Volksrepublik wegen Unterstützung separatistischer Umtriebe zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Publizist und Ökonom der Minzu-Universität in Peking setzte sich seit 20 Jahren für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der uigurisch-muslimischen Minderheit ein.
- "Alles, was er versucht hat, war zu helfen"
Die Tochter des uigurischen Aktivisten Tohti nimmt für ihren inhaftierten Vater den Sacharow-Preis entgegen. Die Hoffnung auf Freilassung gibt sie nicht auf, sagt sie dem ZDF.
Die Tochter weiß nicht, wo sich ihr Vater befindet
Jewher Ilham beschrieb ihren Vater als einen Mann, der für jedes Problem eine Lösung suchte. "Mein Vater hatte keine Angst davor, arm zu sein, solange er sich der Aufgabe widmen konnte, die sein Leben bestimmen sollte: einen friedvollen Dialog zu fördern und Verständnis zwischen den Han-Chinesen und den Uiguren zu fördern."
Sie schätzt, dass eine Million Uiguren in Umerziehungslager gebracht wurden, wo sie gezwungen wurden, ihre Religion, ihre Sprache und ihre Kultur aufzugeben. Ilham weiß derzeit nicht genau, wo sich ihr Vater befindet. Zuletzt hatte sie nach eigenen Angaben 2017 Kontakt zu ihm.
Europaparlament verurteilt die Situation der Uiguren
Der außenpolitische Sprecher der Europa-SPD, Dietmar Köster, sagte: "Ilham Tohti steht für Ausgleich, Dialog und Versöhnung. Das sind auch die Werte, auf die die EU gegründet ist und die das Europaparlament mit der Verleihung des diesjährigen Sacharow-Preises unterstreicht."
Der außenpolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei EVP, Michael Gahler, kritisierte Chinas Umgang mit den Uiguren. "Das Ausmaß der Unterdrückung der Uiguren und die systematische Art und Weise, wie dies in China geschieht, sind empörend", sagte der CDU-Politiker. Am Donnerstag stimmt das Europaparlament über eine Entschließung zur Lage der Uiguren in China ab.
-
Wer den Sacharow-Preis bisher gewonnen hat
Der Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit wird seit 1988 jährlich vom EU-Parlament vergeben. Er zeichnet Persönlichkeiten und Institutionen aus, die sich besonders für Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten, die Achtung des Völkerrechts und die geistige Freiheit einsetzen. Benannt ist die Auszeichnung nach dem sowjetischen Physiker und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow (1921-1989).
Zu den früheren Sacharow-Preisträgern gehören etwa der saudi-arabische Blogger Raif Badawi und Südafrikas Ex-Präsident Nelson Mandela. Im vergangenen Jahr wurde der damals noch in Russland inhaftierte ukrainische Filmemacher Oleg Senzow für sein Engagement gegen die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim ausgezeichnet. Im September dieses Jahres kam er frei.