Die Schülerdemos für mehr Klimaschutz zeigen Wirkung: Die CDU-Spitze will sich mit "neuer Kraft" für die "Bewahrung der Schöpfung" einsetzen. Konkreter ist schon die Lokalpolitik.
Sie weichen nicht von der Straße, im Gegenteil, an diesem Freitag erwarten junge Klimaaktivisten in Aachen bis zu 20.000 Schüler und Studenten aus 17 Ländern zum internationalen Streiktag, um als großes Bündnis für einen besseren Klimaschutz zu demonstrieren.
Am morgigen Sonnabend wollen Tausende Menschen im Rheinischen Revier zudem auf einen schnelleren Kohleausstieg drängen. Seit einem halben Jahr machen die Teilnehmer der "Fridays For Future"-Demos inzwischen Druck auf die Politik und singen: "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!"
Schülerdemos anfangs belächelt, inzwischen ernstgenommen
Anfangs belächelt und als Schulschwänzer kritisiert, die doch bitteschön "Profis" die Klimapolitik überlassen sollten, hat sich der Wind inzwischen gedreht. Die Bewegung ist längst global vernetzt: Zuletzt nahmen mehr als 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche in mehr als 120 Ländern an den Demos teil. Unterstützt von vielen Wissenschaftlern, treiben die Schüler Politiker zum Umdenken an.
Unter dem Eindruck anhaltender Schülerproteste, des Grünen-Erfolgs bei der Europawahl und des eher schwachen Abschneidens der Union versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor wenigen Tagen in Goslar Klimaaktivisten, dass sehr viele Kohlekraftwerke in Deutschland bis zum Jahr 2035 abgeschaltet werden. Vielleicht könne es sogar schneller gehen, wenn sich die Kraftwerke wirtschaftlich nicht mehr rechneten. Aussagen wie diese reichen vielen der Demonstranten aber längst nicht. Sie wollen den Kohleausstieg viel früher.
Aktivistin empfindet aktuelle deutsche Klimapolitik "zum Haareraufen"
Merkels Auftritt in Goslar kommentierte die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer im Nachrichtendienst Twitter so: "Merkel stellt fest, dass #nomorepillepalle eine nette Idee ist, Protest gut ist & Klimaschutz auch mal einen Tag dauern kann. Dann geht sie – und hinterlässt einen Haufen junger Menschen, die sich fragen, wie das wohl war, als #Klimakanzlerin kein Relikt, sondern ein Statement war."
Gemeinsam mit anderen Aktivisten der "Fridays For Future"-Bewegung beklagt die Studentin unter dem Hashtag #6MonateNixPassiert in der Klimapolitik die Passivität politischer Entscheidungsträger und "ein 26 Wochen andauerndes Ausredensuchen jenseits wissenschaftlicher Erkenntnisse." Die Aktivistin Carla Reemtsma findet es "zum Haareraufen und Kopfschütteln" und Nele Brebeck kommentiert: "Man kann ja gerne ignorieren, dass an einem stinknormalen Junitag 7.000 junge Menschen in Hamburg gegen den Status Quo der Klimapolitik protestieren. Dann braucht man sich aber auch nicht mehr über Stimmverluste wundern!"
Kramp-Karrenbauer: "Wir können so nicht weiterleben."
Doch genau an der Stelle scheint sich nun etwas zu bewegen. Merkel stellte öffentlich fest, dass die Grünen der Union vormachen würden, Themen aufzunehmen, die vor allem jungen Menschen unter den Nägeln brennen. Und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" gar ein Plädoyer für eine neue Klimapolitik verfasst. Titel: "Wir können so nicht weiterleben." In dem Aufsatz schreibt sie: "Wir wollen den Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung mit neuer Kraft und festem politischen Willen angehen."
Die von jungen Menschen vielfach ausgedrückte Sorge um die Zukunft dringt ins Bewusstsein der Politik. So schreibt Kramp-Karrenbauer: "Wir sehen den gesellschaftlichen Willen und die Bereitschaft zu Veränderung deutlicher als je zuvor." Sie plädiert für eine "neue Integration von Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialpolitik, die die Kreisläufe der Natur intakt hält."
Kieler Oberbürgermeister verspricht "Umdenken in allen Bereichen"
Derweil rufen, ausgelöst durch die "Fridays For Future"-Demos, immer mehr deutsche Städte den "Klimanotstand" aus. Jüngste Beispiele: Aachen und Saarbrücken, die in dieser Woche Städten wie Konstanz, Münster, Bochum und Kiel gefolgt sind. Zwar bedeutet der "Klimanotstand" nicht, dass es in diesen Städten besonders prekär zugeht, aber die Lokalpolitik misst dem Thema Klimaschutz nun eine größere Dringlichkeit bei.
Die Städte wollen bei künftigen Entscheidungen genauer prüfen, welche Folgen ihr Handeln für Klima-, Umwelt- und Artenschutz haben wird. Dabei geht es zum Beispiel um eine klimaneutrale Energieversorgung von Neubauten, den stärkeren Einsatz von Elektrobussen oder den Ausbau der Infrastruktur für Fahrradfahrer.
Der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) sagt: "Die Bewegung 'Fridays For Future' ist im Rathaus angekommen." Er geht auf die Aktivisten zu und verspricht ein "Umdenken in allen Bereichen" und konkrete Maßnahmen. Das Ausrufen des Klimanotstands sei deshalb alles andere als reine Symbolpolitik.