Seit 70 Jahren streiten Indien und Pakistan um Kaschmir - drei Mal führten beide Atommächte bereits Krieg. Nun verschärft eine indische Verfassungsänderung die Situation.
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Die indische Regierung hat dem von ihr kontrollierten Teil Kaschmirs den Sonderstatus entzogen. Die Anordnung verkündete Indiens Innenminister Amit Shah in beiden Parlamentskammern: Mit einem Eildekret des Präsidenten werde Artikel 370 der indischen Verfassung, der dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir Autonomierechte garantiert hatte, sofort gestrichen. Pakistan, das ebenfalls Anspruch auf die Region erhebt, verurteilte den Schritt als "illegal".
Für Menschen in Kaschmir galt derweil eine Ausgangssperre: Führende Politiker in der Region wurden unter Hausarrest gestellt sowie Internet- und Telefonverbindungen unterbrochen. Bereits früh am Montag setzen die Behörden Einschränkungen im öffentlichen Leben durch und schlossen alle Schulen in der größten Stadt Srinagar. Regierungskräfte errichteten Stahlbarrikaden und Stacheldraht auf Straßen und Kreuzungen.
Die Spannungen waren seit Freitag gestiegen, als die Regionalregierung von Kaschmir vor möglichen Angriffen von Militanten, die aus Pakistan stammen sollen, warnte. Tausende indische Touristen, Pilger und Arbeiter verließen daraufhin die Region panikartig. Pakistan bat am Sonntag US-Präsident Donald Trump um Vermittlung in dem Konflikt mit Indien.
Vorteile für Muslime beenden
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Bislang garantiert Artikel 370 der Verfassung dem indischen Teil Kaschmirs unter anderem eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und weitgehende Kompetenzen mit Ausnahme der Außen- und Verteidigungspolitik. Mit der Abschaffung des Sonderstatus bekommen Menschen aus anderen Teilen Indiens das Recht, in der Region Grundbesitz zu erwerben und sich dort dauerhaft niederzulassen. In Kaschmir wird befürchtet, dies könne einen demografischen Wandel von einer muslimischen zu einer hinduistischen Bevölkerungsmehrheit herbeiführen.
Innenminister Shah sagte, die seit Jahrzehnten geltenden Sonderrechte - noch vor Indiens Unabhängigkeit von britischer Herrschaft 1947 beschlossen - seien "befristet" gewesen. Die Verfassungsänderung ist der weitestgehende Vorstoß einer indischen Regierung zur Veränderung des Status Quo in der Region in nahezu sieben Jahrzehnten.
Pakistan kritisierte die Abschaffung des Sonderstatus. Dies verstoße gegen eine UN-Resolution, sagte Außenminister Shah Mahmood Qureshi. Das Land werde sich diplomatisch Bemühen, dass die Anordnung nicht umgesetzt wird. Auch der Präsident des von Pakistan kontrollierten Teils von Kaschmir, Sardar Masood Khan, lehnte die Anordnung ab. In einer solchen Situation könnte Indien gegen Pakistan in den Krieg ziehen, sagte er.
Bewaffneter Konflikt zwischen zwei Atommächten
Seitdem Britisch-Indien im Jahr 1947 unabhängig und in Indien und Pakistan geteilt wurde, streiten die beiden Länder um die Herrschaft über Kaschmir. Drei Mal führten sie bereits Krieg gegeneinander. Die beiden Atommächte beherrschen jeweils einen Teil, ein weiterer Teil des Himalaya-Gebiets gehört zu China.
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Indien hatte vor einigen Monaten erstmals seit dem Krieg 1971 Angriffe auf pakistanisches Gebiet geflogen. Die Attacke der Luftwaffe hatte nach Darstellung der Regierung in Neu-Delhi einem Ausbildungslager einer Islamisten-Gruppe namens Jaish-e Mohammad gegolten, die einen Anschlag mit 40 Toten von Mitte Februar im indischen Teil Kaschmirs für sich reklamiert hatte.
Zu solchen Anschlägen kommt es im indischen Teil Kaschmirs immer wieder. Laut indischen Sicherheitskräften gehen sie auf das Konto von Separatisten, die eine Abspaltung des überwiegend muslimischen Kaschmirs vom mehrheitlich hinduistischen Indien wollen. Erst am Wochenende entsandte Indien zusätzliche 10.000 Soldaten ins Kaschmir-Tal. Am Freitag berichteten Medien, weitere 25.000 würden dorthin geschickt. Indien wirft Pakistan vor, islamistische Kämpfer im indischen Teil zu unterstützen. Islamabad bestreitet dies.