Ein UN-Bericht zeichnet ein düsteres Bild: Eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. "Das sind sehr dramatische Ergebnisse", sagte WWF-Experte Mitlacher.
Drei Jahre lang haben Autoren aus über 50 Ländern das Wissen aus Tausenden Studien und Dokumenten zusammen getragen. Das Ergebnis ist ein Bericht zur Artenvielfalt weltweit. Dieser wurde nun vom Weltbiodiversitätsrat in Paris erarbeitet und heute vorgestellt. Günter Mitlacher vom WWF Deutschland war vor Ort.
heute.de: Wie steht es um die Artenvielfalt weltweit?
Günter Mitlacher: Um die steht es gar nicht gut. Ob das Vögel, Amphibien oder Insekten sind - überall sehen wir negative Trends. Wir gehen davon aus, dass etwa eine Million Arten in den nächsten Jahrzehnten aussterben werden. Das sind sehr bedenkliche und dramatische Ergebnisse. Wenn der Klimawandel weiter voran schreitet, dann wird der Artenschwund noch massiver.
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heute.de: Eine Million von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit - wie kann es sein, dass so viele Arten aussterben?
Mitlacher: Wir rauben ihnen ihren Lebensraum. Wir haben den Lebensraum so verändert - vor allem durch unsere intensive Landwirtschaft -, dass andere Lebewesen um uns herum eigentlich keinen Platz mehr haben. Und der noch vorhandene Lebensraum hat nicht die Qualität, die Tiere und Pflanzen brauchen, um zu überleben. Weil wir die Landschaft vergiften.
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heute.de: Welche Folgen hat das?
Mitlacher: Wir sehen das am Beispiel der Insekten. Wir haben die Biomasse untersucht - also wieviel Lebewesen es insgesamt gibt. Diese Biomasse hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch reduziert. Die Lebewesen erhalten aber ein Netz aufrecht: Bienen bestäuben die Blüte, die Blüte bringt Früchte hervor, der Vogel frisst die Früchte und braucht die Insekten, um seine Jungen zu füttern. Dieses Netz um uns herum wird immer dünner. Wir haben die Sorge, dass das irgendwann enorme Konsequenzen für uns hat.
heute.de: Welche genau?
Mitlacher: Dadurch, dass der Handel weltweit vernetzt ist, kaufen wir Produkte, die in Brasilien oder afrikanischen Ländern produziert werden. In Brasilien wird der Wald abgeholzt, um dort Soja anzubauen, womit hier Tiere gefüttert werden, um den Fleischkonsum zu decken. Das führt wiederum dazu, dass immer mehr CO2 in die Atmosphäre kommt. Das hat wieder Auswirkungen auf andere Ökosysteme. Die Meere haben inzwischen 25 Prozent des CO2 in der Luft aufgenommen. Etwa die gleiche Menge haben die Wälder in anderen Regionen aufgenommen bzw. die Pflanzen und Tiere in den Böden. Die restlichen 50 Prozent sind aber in der Atmosphäre. Irgendwann sind die Kapazitäten der Ökosysteme, CO2 aufzunehmen, erschöpft. Dann haben wir zum Beispiel das Problem der Übersäuerung der Meere. Das wird alles gleichzeitig passieren in verschiedenen Regionen. Ein Teufelskreis.
heute.de: Wie lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen?
Mitlacher: Die Wissenschaftler sagen, wir müssen eigentlich an die Wirtschaftssysteme ran. Zum Beispiel an Agrar-Subventionen. Die müssen so gesteuert werden, dass sie positiv auf die Natur wirken - und nicht negativ wie bisher. Das betrifft auch andere Wirtschaftsbereiche wie Mobilität, Agrarwirtschaft, Waldwirtschaft, die Produktion von Kosumgütern und vor allem Nahrungsmittelproduktion. Man muss überall reinschauen und für eine naturfreundlichere Produktion und Wirtschaft sorgen.
Beispiele bedrohter Arten
heute.de: Was kann die deutsche Politik konkret tun, um diesen Prozess zu unterstützen?
Mitlacher: Die reichsten Länder der Erde können Vorreiter sein - wie Deutschland. Deutschland hat in der Klimapolitik den Anschluss verpasst. In der Naturschutzpolitik muss Deutschland sich an die Spitze der politischen Bewegung setzen. Die Kanzlerin muss das zur Chefsache machen. Deutschland muss etwa seine Subventionen entsprechend lenken. Es gibt zum Beispiel eine Subvention, um sich ein neues Auto zu kaufen, aber es gibt keine Subventionen, um ökologische Lebensmittel zu kaufen. Diese Schieflage - Wirtschaftswachstum auf der einen Seite und Ökologisierung der Gesellschaft auf der anderen Seite - das kann nur Politik überwinden.
Das Interview führte Nina Niebergall.
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