Monatelang herrschte Roller-Chaos in Paris, jetzt hat die Stadt durchgegriffen. Der Erfolg ist spürbar: Rollerfahrer bleiben zunehmend auf Radwegen.
Quelle: dpa
Eine Gruppe von Gelbwesten auf Elektrorollern fährt durch Paris. Demonstranten, die zu faul zum Laufen sind? Nein, es ist eine Gruppenfahrstunde für Nutzer von Elektrorollern. "Auf Bürgersteigen fahren? Das ist verboten, da gibt es nichts zu diskutieren", erklärt der Roller-Fahrlehrer. "Wenn Euch ein Polizist erwischt, dann kostet es 135 Euro Strafe", fügt er hinzu und lässt die Kursteilnehmer Kurvenfahren auf dem Kopfsteinpflaster üben.
Eine Million Rollerfahrer in Paris
Jeden Samstag können E-Rollerfahrer, die sich noch wacklig auf den Rädern fühlen, an einem Gratiskurs hinter dem Pariser Rathaus teilnehmen. Veranstaltet werden sie von einem der großen Anbieter von Leihrollern. Die haben derzeit allen Grund, die Nutzer zu sicherem Fahren anzuleiten, denn seit der Einführung der Elektroroller in Paris herrschte in der Stadt grandioses Mobilitätschaos.
"Die Roller haben sich hier sehr schnell verbreitet. Es ist ein gesellschaftliches Phänomen geworden, allein in Paris gibt es eine Million Nutzer. Allerdings haben sich manche ein ziemlich schlechtes Verhalten angewöhnt", räumt Arthur Louis Jacquier ein, Chef des Roller-Anbieters Lime in Frankreich.
20 km/h Maximalgeschwindigkeit
In der französischen Hauptstadt waren die Elektroroller in den vergangenen Monaten immer mehr in die Kritik geraten: Nutzer bretterten rüpelhaft über Bürgersteige oder schlängelten sich höchst riskant zwischen Autoschlangen hindurch. Fußgänger stolperten über respektlos geparkte oder umgefallene Roller auf den Gehwegen. Die Notaufnahmen verzeichneten zahlreiche Sturzverletzungen, auch wenn bislang keine eigene Statistik über Rollerunfälle vorliegt.
Seit Anfang Juli gelten neue Vorschriften: Roller dürfen maximal 20 Kilometer pro Stunde fahren, müssen auf Radwegen bleiben und auf markierten Plätzen abgestellt werden. Eine Helmpflicht, die manche gefordert hatten, wurde nicht eingeführt. "Es ist gut, dass es jetzt Regeln gibt, damit es nicht mehr ständig zu Konflikten zwischen Rollerfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern kommt", meint Jacquier.
Zahl der Anbieter soll begrenzt werden
Und um das Roller-Chaos einzudämmen, will Paris mittelfristig nur noch zwei oder drei Anbieter zulassen, die sich kontrollieren lassen. Einige der Roller-Dienste haben bereits aufgegeben, auch der deutsche Anbieter Wind.
Marktführer Lime hingegen will seine Position verteidigen und zeigt sich deswegen besonders musterhaft. Mit einer Plakataktion sollen die Nutzer zu einem vernünftigen Fahrstil ermuntert werden. Außerdem hat das Unternehmen 50 Roller-Aufräumer eingestellt, die falsch geparkte Fahrzeuge einsammeln und zu autorisierten Parkplätzen bringen.
Wie umweltfreundlich sind E-Scooter?
Die Roller-Kritiker beschweren sich allerdings nicht nur über rüpelhafte Nutzer, sondern auch über die zweifelhafte Umweltbilanz der Elektroroller. Der Lime-Chef will zur Lebensdauer eines E-Rollers in Paris keine Zahlen nennen, aber französische Medien gehen davon aus, dass die Roller im Schnitt nur 28 Tage fahrtüchtig bleiben.
"Die Lebensdauer eines Rollers ist sehr wichtig, sowohl für unser Unternehmen, als auch für die Umwelt", sagt Jacquier. In einer Pariser Vorstadt gebe es ein großes Depot, wo 200 Mechaniker damit beschäftigt seien, beschädigte Roller zu reparieren. "Und alles, was nicht repariert werden kann, das wird recycelt", betont Jacquier. Auch die besonders umweltschädliche Lithium-Batterie, die zumindest zu 76 Prozent recycelt werden könne.
Unterdessen hat der Roller-Fahrlehrer seine Schüler auf einen ersten Ausflug mitgenommen, hinunter an die Seine, wo Rad- und Rollerfahrer und Fußgänger sich friedlich die Uferpromenade teilen. Ein Bild, wie auch andere Pariser Hauptverkehrsadern irgendwann aussehen könnten. Schließlich war auch das Seine-Ufer bis vor einigen Jahren noch eine mehrspurige Autoschnellstraße.