Silke Grimm ist Wolfsbeauftragte der AfD Sachsen. Persönlich ist sie nie einem Wolf begegnet. Im Landtagswahlkampf ist das Thema nun Programm.
Das AfD-Büro im sächsischen Löbau liegt am Ortseingang zwischen Tankstelle und Supermarkt-Filiale. Ein Raum mit Schreibtisch, Besprechungsecke und Küche. Hier empfängt die Landtagsabgeordnete Silke Grimm Bürger aus der Region, aber auch viele Journalisten. Sogar die Reporterin der New York Times war schon da. Denn Silke Grimm ist die Wolfsbeauftragte der AfD in Sachsen.
Das Märchen vom bösen Wolf
Quelle: ZDF
Persönlich ist sie zwar noch nie einem Wolf begegnet, erzählt die 52-Jährige im Interview mit dem ZDF-Magazin "Frontal 21". Doch die Gefahr sollte niemand unterschätzen. Deshalb hat die AfD für den Wahlkampf einen Flyer drucken lassen. Auf dem Titel eine Fotomontage: Ein Wolf läuft mit offenem Maul durch ein Dorf. Neben dem Tier auf der Straße liegt ein Teddybär. Ein Kind ist nicht zu sehen. Die Broschüre habe die Pressestelle gemacht, sagt Grimm. "Es soll nicht heißen, dass das Kind schon weg ist, oder so. Aber jeder Wolf braucht pro Tag fünf bis sieben Kilogramm Fleisch. Und das holt er sich an Wild oder an Nutztieren und irgendwann, je größer die Wolfspopulation wird, umso weniger Nahrung wird da sein. Und wenn hier nicht reguliert wird, dann sollte man nicht ausschließen, dass es auch mal ein Kind treffen könnte."
Kinder als potenzielle Jagdopfer des Wolfes? Kann das wirklich sein? In den Wäldern in der Lausitz gibt es besonders viele Wölfe. Die Biologin Gesa Kluth forscht hier seit Jahren im Auftrag von Naturschutzbehörden des Bundes und der Länder über Wölfe. Wir zeigen ihr den Flyer der AfD mit dem Wolf und dem Teddybären: "Dass ein Wolf mal durch ein Dorf läuft, ist realistisch. Dass dabei ein Kind gefährdet wird, das ist nicht realistisch. Wölfe ernähren sich von Huftieren. Menschen gehören nicht zu ihrem Beuteschema. Das ist ein ziemlich offensichtliches Angstmach-Manöver."
Die AfD spielt mit der Angst vor dem bösen Wolf. Der war in Deutschland seit 1850 ausgerottet. Seit dem Jahr 2000 ist er wieder da. Die ersten Wölfe kamen aus Polen in die Lausitz nach Sachsen. Von dort breiteten sie sich aus. Insgesamt leben in Deutschland derzeit rund 800 Wölfe in 73 Rudeln. Die meisten in Brandenburg und in Sachsen. Und dort sind am 1. September Landtagswahlen.
Der Wolf als Eindringling
Die AfD nutzt das Vokabular aus der Migrationspolitik, um mit dem Thema "Wolf" bei den Wählern zu punkten. So fordert die Wolfsbeauftragte Grimm die Einführung einer "Obergrenze für Wölfe". Ein sächsischer Bundestagsabgeordneter vergleicht Wölfe sogar mit kriminellen Flüchtlingen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will den Wolf nicht der AfD überlassen. In Berlin hat er dafür gesorgt, dass das streng geschützte Tier leichter abgeschossen werden kann, wenn es doch mehrfach Weidetiere reißt. "Wie oft habe ich das Märchen vom Rotkäppchen gehört. Jetzt haben wir auch in Niedersachsen, in Schleswig-Holstein, in anderen Regionen dieses Problem, auf einmal bewegt sich etwas. Warum muss es immer erst eskalieren, bevor wir zu einer vernünftigen Lösung kommen", sagt Kretschmer Frontal 21.
Schäfer haben gelernt mit dem Wolf zu leben
Quelle: ZDF
Schäfer Jürgen Körner aus dem südlichen Brandenburg kennt den Wolf aus eigener Erfahrung. Körner besitzt etwa 2.000 Schafe und Ziegen – 15 hat er bisher durch Wölfe verloren. Der Schaden ist überschaubar. Der letzte Wolfsriss war im August 2018: "Wir hatten fünf Tote und ein stark verletztes Schaf, das wir danach gleich notgetötet haben."
Für jedes vom Wolf gerissene Tier wird der Schäfer vom Land entschädigt. Und für Elektrozäune bekommt er 15.000 Euro Zuschuss in drei Jahren. Die Zäune schützen in der Regel gut - Wölfe lernen, dass sie da nicht durchkommen und ziehen weiter: "Wenn der Betrieb wirtschaftlich geführt ist, spielt der Wolf eine untergeordnete Rolle", sagt Körner.
Dass die AfD mit der Angst vor dem Wolf Wahlkampf macht, davon hält der Schäfer nichts: "Der Wolf ist ein großes Politikum. Er wird für jede Schlagzeile ausgenutzt, aber uns bringt das nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die AfD uns Unterstützung bringt. Die nutzt das für ihren Wahlkampf."
Schäfer Jürgen Körner ist alles andere als begeistert, dass es wieder Wölfe gibt. Doch er hat gelernt mit ihnen zu leben.