Immer mehr Kinder kommen in Pflegefamilien. Mittlerweile hat die Zahl einen Höchststand erreicht. Die Kinder kommen vor allem aus sozial schwachen Milieus.
Die Zahl der Kinder, die in Pflegefamilien untergebracht sind, ist nach Angaben der Bundesregierung deutlich gestiegen. Sie erhöhte sich von 60.000 im Jahr 2008 auf mehr als 81.000 im Jahr 2017. Das geht aus einer Regierungsantwort auf eine Linken-Anfrage hervor.
Der kinder- und jugendpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norbert Müller, bezeichnete die steigende Zahl der staatlichen Inobhutnahmen als Armutsphänomen. Denn den Angaben zufolge kommen rund drei Viertel der Pflegekinder aus Familien, die Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe beziehen. Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Pflegefamilien kommt aus Alleinerziehenden-Haushalten (55 Prozent).
Hohes Armutsrisiko bei Alleinerziehenden
Alleinerziehende haben ein doppelt so hohes Armutsrisiko wie der Bevölkerungsdurchschnitt. Müller erklärte, nicht die Eltern der Kinder, sondern "eine Sozialpolitik, die Arme systematisch ausgrenzt und benachteiligt", sei verantwortlich für die steigende Zahl an Pflegekindern: "Kinderarmut bedeutet strukturelle Kindeswohlgefährdung", bilanzierte der Linken-Politiker.
Im Durchschnitt bleiben die Kinder zweieinhalb Jahre in den Pflegefamilien, drei Monate länger als noch 2008. Knapp 100.000 weitere Minderjährige lebten 2017 in Einrichtungen der Heimerziehung. Ihre Aufenthaltszeit im Heim hat sich mit durchschnittlich 16 Monaten seit zehn Jahren nicht verändert. Da die Kosten der Heimerziehung um ein Vielfaches höher sind als die Unterbringung gefährdeter Kinder in Pflegefamilien, vermuten die Linken, dass die Zahl der Pflegekinder auch aus Kostengründen zunimmt.
Zu Beginn dieses Jahres waren schon einmal Zahlen bekanntgeworden, wonach die Zahl der Inobhutnahmen von Kindern kontinuierlich steigt. Den Höhepunkt bildeten die Jahre 2015 und 2016, weil unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Einrichtungen der Jugendhilfe betreut werden.
Bundesregierung sieht Entwicklung positiv
Der stellvertretende Sprecher von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), Andreas Audretsch, bestätigte die steigende Zahl von Pflegekindern und wertete sie als Indiz dafür, "dass die Jugendämter gute Arbeit leisten".
Das Familienministerium halte es "für eine gute Entwicklung", sagte Audretsch, dass es in der Gesellschaft eine höhere Sensibilität für das Kindeswohl gebe. Als Beispiel nannte er die gewachsene Aufmerksamkeit für Missbrauchsfälle. Der Sprecher bestärkte die Bürger darin, sich ans Jugendamt zu wenden, wenn sie das Wohl eines Kindes in Gefahr sehen. Die Bundesregierung tue außerdem mehr für Kinder aus einkommensarmen Familien, sagte der Sprecher und verwies auf das sogenannte Starke-Familien-Gesetz. Es sieht Entlastungen etwa bei den Kita-Gebühren und höhere Geldleistungen für Kinder aus einkommensarmen Familien vor.