Erleben wir das Ende des Ölzeitalters? Noch nicht, sagt Marktbeobachter Bernhard M. Klinzing. Die Branche gebe viel Geld aus, um alternative Energiequellen zu erschließen.
makro: Der Ölpreis ist schon seit Jahren recht niedrig. Über 60 bis 70 Dollar pro Barrel kommt er kaum mehr hinaus - und das trotz respektabel laufender Weltkonjunktur und erheblicher geopolitischer Risiken, Stichwort Persischer Golf. Woran liegt das?
Bernhard M. Klinzing: Der Ölpreis wird gegenwärtig von der rückläufigen Nachfrage bestimmt, die weltweit bei bei rund 100 Millionen Barrel täglich liegt. Das globale Handelsvolumen ist auf das tiefste Niveau seit 2009 gesunken. Das spürt auch der Ölpreis.
In den Jahren 2012 bis 2018 stieg der Bedarf jährlich um ca. 1,4 Millionen Barrel pro Tag. Die Internationale Energieagentur schätzt das Wachstum für dieses Jahr nur noch auf eine Million Barrel täglich. Ich halte das aber auch noch für zu hoch gegriffen und würde mich mit dem halben Wert anfreunden können. Zudem ist die weltweite Versorgung gegenwärtig sehr auskömmlich, was den Preisen weiter zusetzt.
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makro: Es gibt Prognosen, dass Effizienzgewinne, Elektromobilität und alternative Kraftstoffe den Ölbedarf in den kommenden Jahren deutlich senken könnten. Zeigen sich die Vorboten dieser Entwicklung vielleicht schon heute im Preis?
Klinzing: Nein. Die Preise bestimmen sich nach den Erwartungen für die kommenden neun Monate. Da spielen diese Komponenten noch keine Rolle. Signifikante Rückgänge im Bedarf an Öl im Verkehrssektor erwarte ich erst in den nächsten Jahren, wenn die Serienproduktion von E-Autos nicht nur in China, Japan und Korea, sondern auch in Deutschland so weit ist, dass der Marktanteil in den zweistelligen Bereich wächst.
Interessanterweise stieg der Spritverbrauch in den USA in diesem Sommer wegen effizienterer Fahrzeuge und alternativer Antriebe (Tesla) so wenig wie nie in diesem Jahrzehnt. Im Übrigen nimmt der Gütertransport (Flugzeug, Schiff, Lkw) ja bisher kaum an dieser Entwicklung teil, sodass die Nachfrage sich hier leider noch verzögerter umstellen wird.
makro: Kommen wir zu den Unternehmen. Seit dem Absturz des Ölpreises 2014 hält sich "Big Oil" mit Investitionen zurück. Aber ohne Investitionen sinkt bald die Fördermenge. Wie sehen die Firmen ihre Zukunft?
Klinzing: Tatsächlich sanken zuletzt die Investitionen in der Ölexploration, dafür wird der "Transition" genannte Prozess massiv vorangetrieben. Alle großen Ölunternehmen geben viel Geld für die Erschließung alternativer Energiequellen aus wie Wind, Sonne oder Biokraftstoffe. BP, Shell, Total, Exxon Mobil und alle anderen sind nicht nur Teil des Problems, sondern auch Teil der Lösung.
Weil der Umstieg nicht von heute auf morgen möglich ist, müssen Zwischenlösungen her, um die Versorgung zu sichern, so unpopulär das Thema auch sein mag. Die Nutzung von Erdgas verursacht nur halb so viel CO2-Emissionen wie Kohle. Nach meiner Einschätzung wird die Welt in der Übergangszeit bis zur vollständigen Nutzung von regenerativen Energieträgern unmöglich um eine verstärkte Nutzung von Gas herumkommen. "Big Oil" investiert hier im großen Stil.
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makro: Es gibt Pläne zur Erschließung großer Ölfelder in den Gewässern der Arktis. US-Präsident Trump unterstützt dies. Tatsächlich geht es der Offshore-Branche schlecht. Ist das Thema tot?
Klinzing: Ich glaube für die nächsten Jahre an keine große Ausweitung der Offshore-Ölförderung, wohl aber des sonstigen Abbaus von Rohstoffen. Die Meeresböden sind viel reicher an Bodenschätzen als das Festland. Kobalt etwa kommt fünf Mal so oft in diesen Tiefen vor wie an der Oberfläche.
makro: Erleben wir das Ende des Ölzeitalters?Klinzing: Das Erdöl zum Verbrennen zu nutzen, hat natürlich keine Zukunft - weder in Autos, noch in Schiffen und Flugzeugen und schon gar nicht in Heizungen. Fridays for Future macht den Entscheidern Dampf. Das ist gut so. Alternativen sind auf dem Vormarsch.
Trotzdem sehe ich nicht das Ende des Ölzeitalters, denn im Verkehr wird nur knapp die Hälfte der Ölvorkommen verbraucht. Erdöl steckt ja auch in jedem Fernseher, Kaugummi, Shampoo, Holzregal und in jeder Matratze. Der Wohlstand auf der Erde wächst immer mehr. Immer mehr Menschen können sich anspruchsvolleren Konsum leisten, auch jenseits des Plastiks. Die Petrochemie wird den Ölförderern dauerhaft als Kunde erhalten bleiben.
Das Interview führte Carsten Meyer von der Redaktion makro.
Wo überall Öl drinsteckt
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