In Polen haben in mehr als 100 Städten Tausende Menschen gegen die umstrittene Justizreform der Regierung protestiert. Sie bekundeten ihre Solidarität mit den Richtern.
Das Motto der Demonstranten: "Wir tun es für alle - einig mit den Richtern." Laut regierungskritischen Richterverbänden verstärkte sich nach der Wiederwahl der nationalkonservativen Partei PiS die Unterdrückung von Richtern. Die Demonstrationen sollen eine Reaktion auf Handlungen von Justizminister Zbigniew Ziobro und der von ihm ernannten Disziplinarsprecher sein.
"Familien leiden"
Die polnische Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk hat in einem Online-Video die Proteste unterstützt. Sie sagte an die polnischen Richter gerichtet: "Wir sind uns bewusst, wie ihr in Bedrängnis seid, wie ihr entlassen werdet, wie ihr von einer Stelle zu anderen geschoben werdet, wie eure Familien leiden."
Innerhalb einer Woche sahen sich sechs Richter aus verschiedenen Gerichten des Landes mit Disziplinarmaßnahmen für ergangene Urteile oder öffentliche Äußerungen konfrontiert. Pawel Juszczyszyn, ein suspendierter Richter aus Olsztyn, appellierte in Warschau an Polens Richter: "Lasst euch nicht einschüchtern!"
EuGH hat Zweifel an Disziplinarkammer
Trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. November nehme das Ausmaß der Unterdrückung von Richtern seitens des Ministers zu, so regierungskritische Juristen. "Diese Handlungen gefährden die Unabhängigkeit der Justiz und die Unabhängigkeit der Richter", argumentiert die Justizvereinigung "Iustitia".
Der EuGH hatte Zweifel geäußert, ob die neu eingerichtete Disziplinarkammer beim Obersten Gericht in Warschau hinreichend unabhängig von politischem Einfluss ist. Darüber hinaus hat die EU-Kommission noch im Oktober ein weiteres EuGH-Verfahren gegen die polnische Justizreform gestartet. Durch neue Disziplinarverfahren werde die Unabhängigkeit der Richter angegriffen.
Natalie Steger leitet das ZDF-Studio in Warschau.