Sie nennen sich "Sardinen", protestieren gegen Matteo Salvini und könnten bald nach Deutschland kommen. Gründer Mattia Santori über die Motive und Ziele der Bewegung.
Die "Sardinen" sind kleine - scheinbar harmlose - Fische, aber sie sind viele und es werden immer mehr. Heute Abend werden sie sich wieder auf den Plätzen Italiens versammeln - in Genua, Piacenza und Verona. Mehrere tausend Menschen werden erwartet. Sie protestieren gegen Lega-Chef Matteo Salvini und gegen Rechtspopulismus. Zwei Wochen alt ist die Protestbewegung der "Sardinen". Gegründet hat sie der 32-jährige Mattia Santori aus Bologna. Bisher war der Ökonom und Sportlehrer nicht politisch aktiv - die guten Umfragewerte von Salvinis Lega-Partei in seiner Region änderten das.
Wie es zur Gründung der Protestbewegung gekommen ist
Quelle: Reuters
"Es war ein Uhr morgens, aber ich konnte nicht schlafen", erzählt Mattia Santori von der Nacht, in der er beschloss, mit drei Studienfreunden - allesamt um die 30 Jahre alt - eine Demonstration in Bologna zu organisieren. Dort startete Matteo Salvini mit der Lega-Partei den Wahlkampf für die Regionalwahlen in einem Saal mit 5570 Plätzen. Im Netz rufen Mattia Santori, der Touristenführer Andrea Garreffa, die Physiotherapeutin Giulia Trappoloni und der Ingenieur Roberto Morotti zur Kundgebung "6.000 Leute gegen Salvini" auf. Am Ende versammelten sich auf der Piazza Maggiore in Bologna rund 12.000 Menschen.
Wie schnell sich die Proteste italienweit ausbreiten
"Bologna war der Weckruf, der ganz Italien wachgerüttelt hat", sagt Mattia Santori, "das Land hat darauf gewartet, dass jemand sagt: basta!" Wenige Tage nach der ersten Demonstration in Bologna gibt es in weiteren Städten der norditalienischen Region Emilia-Romagna Proteste der "Sardinen" - auf der Piazza in Modena, in Reggio Emilia und in Rimini. Nun weiten sie sich im ganzen Land aus. Innerhalb von vier Wochen sind in über 40 Städten Demos geplant. Die Facebook-Seite "6000 sardine" zählt bislang knapp 220.000 Abonnenten.
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Wer die "Sardinen" sind und was sie wollen
Die "Sardinen" sind eine lose Protestbewegung. Unter den Teilnehmenden sehe man alle Altersgruppen - von Schülern bis hin zu Pensionierten, sagt Santori. Der Motor der Bewegung seien die 18- bis 40-Jährigen.
Die "Sardinen" haben nach Santori unterschiedliche politische Einstellungen, aber sie seien sich in der grundlegenden Botschaft einig: "Schluss mit Angriffen, Schluss mit Beleidigungen, Schluss mit Gewalt im Netz". "Über Jahre habt ihr Lügen und Hass über uns ausgeschüttet: Ihr habt Wahrheit und Unwahrheiten vermischt und die Welt so ausgelegt, wie es euch gelegen kam", schreiben die vier Gründer in ihrem Manifest, das sie auf Facebook veröffentlicht haben. "Ihr habt unsere Gutgläubigkeit, unsere Ängste und Schwierigkeiten ausgenutzt, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen." Damit soll jetzt Schluss sein. "Liebe Populisten, ihr habt es verstanden. Die Party ist zu Ende" – so der Aufruf im Manifest.
So reagiert Lega-Chef Matteo Salvini auf die "Sardinen"
Oppositionsführer Matteo Salvini reagiert auf die "Sardinen" mit einer Aktion im Netz. Auf Twitter postet er unter dem Slogan "#gattiniconSalvini" ("Kätzchen mit Salvini") ein Foto einer jungen Katze, die eine Sardine verspeist. Der Kommentar von Salvini über dem Tweet: "Was gibt es Süßeres und Schöneres als Kätzchen? P.S.: Schmecken euren Katzen Sardinen und Fische? Postet das Foto in die Kommentare."
Darüber hinaus ruft er seine Anhänger auf, ähnliche Bilder zu posten. Dazu hat die Lega-Partei eine eigene Webseite eingerichtet, auf der jeder sein eigenes Kätzchenbild gestalten kann. Innerhalb weniger Tage sollen laut Salvini bereits knapp 10.000 Katzenfotos eingegangen sein. "Etwas armselig", findet Mattia Santori diese Aktion. "Eine Katze ist aggressiv, während eine Sardine völlig friedlich ist."
Welche langfristigen Ziele die "Sardinen" haben
"Wir konzentrieren uns auf den Moment", sagt Santori. Das primäre Ziel sei, dass den Bürgern ihr Einfluss auf die Politik bewusst werde. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Noto Sondaggi" haben die "Sardinen" ein Wählerpotential von 15 Prozent. Eine Kandidatur bei den kommenden Regionalwahlen am 26. Januar in der Region Emilia-Romagna schließt Mattia Santori aber aus.
Innerhalb von vier Wochen sind in über 40 Städten Italiens Proteste geplant - so wie hier am vergangenen Samstag in der Stadt Reggio Emilia
Quelle: ReutersMittlerweile organisiert ein 20-köpfiges Team Demonstrationen in Italien und über die Landesgrenzen hinaus. Am vergangenen Sonntag gab es eine Demonstration in New York, am Samstag wird es eine in Amsterdam geben. Auch mit Landsleuten in deutschen Städten wie Berlin sind die "Sardinen" bereits in Kontakt. "Wir hoffen, eines Tages in allen europäischen Hauptstädten Demonstrationen zu machen", sagt Santori, "wir wissen nur noch nicht wann."