Die Benzinpreise steigen, die Lebensbedingungen werden schlechter, der Frust wächst: Immer mehr Menschen protestieren gegen das Regime im Iran. Das droht mit den Spezialkräften.
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Das Regime droht seinen wütenden Bürgern: "Wir hoffen, dass wir unsere Spezialkräfte nicht werden einsetzen müssen", sagte Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli am Sonntag. "Sie operieren zwar nur in Extremsituationen. Aber wir werden sie einsetzen gegen jene, die Gesetze brechen und Instabilität verursachen."
Heftige Proteste gegen Benzinpreis-Erhöhung
Seit Freitagnacht erlebt Iran heftige Proteste gegen die Erhöhung der Benzinpreise. Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sollen ein Polizist und ein Zivilist getötet worden sein. Es habe viele Verletzte und rund 1.000 Festnahmen gegeben, heißt es. Genauere Informationen sind kaum zu bekommen, seit Samstag ist das Internet im Land weitgehend blockiert. Hier sind einige Bilder zu den Unruhen:
Die Lage erinnert an die landesweiten Proteste vor rund zwei Jahren. Auch damals reagierte die iranische Führung mit Gewalt und der Blockade der Kommunikationswege. Nach wenigen Wochen kehrte wieder Ruhe ein, doch blieb die Kritik an der Unfähigkeit des Regimes, eine Lösung des Streits mit den USA zu erreichen, wie auch an den teuren Militäraktionen in Syrien, im Libanon oder im Jemen.
Khamenei vermutet ausländische Kräfte hinter den Angriffen
Seit dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen im Mai 2018 und der Wiedereinführung von Sanktionen sinkt die Wirtschaftsleistung des Landes. Die Entscheidung, die Benzinsubventionen zu streichen, geht nach Meinung vieler nun endgültig zu weit.
In der Entschlossenheit, Proteste gegen diese Entscheidung wenn nötig wieder mit Gewalt niederzuschlagen, zeigt sich die politische und religiöse Führung des Landes geeint, wie lange nicht. Er könne die Unzufriedenheit der Menschen verstehen, meinte Irans religiöses und staatliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei. Doch wer Banken anzünde, dürfe nicht auf Gnade hoffen.
Hinter den Angriffen vermutet Khamenei wie stets ausländische Kräfte, die das Regime stürzen wollten. Doch er mahnt auch die Regierung von Präsident Rohani, auf die Wut der Menschen zu reagieren: "Die Behörden müssen vorsichtig sein und versuchen, die Auswirkungen der Entscheidung so schnell wie möglich zu verringern." Gemeint ist die Streichung der Subventionen auf Benzin und Diesel, die eine Verdreifachung der Preise an den Tankstellen zur Folge hat. Statt bisher rund 7 Cent für den Liter müssen nun 21 Cent gezahlt werden.
Was für den deutschen Autofahrer immer noch unglaublich billig ist, bringt iranische Verbraucher in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Durchschnittsverdienst im Land liegt nach der Abwertung der heimischen Währung Rial aufgrund der US-Wirtschaftssanktionen bei rund 390 Euro im Monat. Die Inflation liegt bei rund 30 Prozent und wird, da sind sich die meisten Verbraucher einig, durch die Anhebung der Benzinpreise weiter steigen. "Wenn nachts der Benzinpreis steigt", sagt Mahboobeh Bakhtiari, eine Hausfrau aus Teheran, "dann steigen am nächsten Tag die Mieten, die Lebenshaltungskosten. Alles wird teurer. Ich denke, dass wird der ärmeren, arbeitenden Bevölkerung das Genick brechen."
Wegen US-Sanktionen sind Einnahmen eingebrochen
Präsident Rohani erklärte am Sonntag, seine Regierung wolle gerade dieser ärmeren, arbeitenden Bevölkerung mit Geldzahlungen helfen. Um dafür die Mittel aufzutreiben, habe seine Regierung genau drei Möglichkeiten gehabt: "Wir hätten die Steuern erhöhen können. Oder wir hätten mehr Öl exportieren müssen. Oder wir reduzieren die Benzinsubventionen", so Rohani.
Wegen der US-Wirtschaftssanktionen ist der iranische Ölhandel dramatisch eingebrochen. Der Regierung fehlen Einnahmen, die man nun durch die höheren Benzinpreise ausgleichen will. Geplant sind Hilfszahlungen für rund 20 Millionen Menschen. Viele von denen fahren jedoch selbst Auto, sind oft auf den Wagen angewiesen und lehnen die Maßnahme ihrer Regierung ab.
Regime schüchtert Menschen ein, will Chaos verhindern
"Sie haben versprochen, die Inflation zu bekämpfen und uns Geld zu geben", sagt ein Mann in Teheran, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennen will, "und um diese Subventionen zahlen zu können, streichen sie die Subventionen auf Benzin. Das wird im Chaos enden."
Um genau dieses Chaos zu verhindern, schüchtert das Regime die Bürger ein. "In ganz Teheran stehen überall Videokameras", droht Innenminister Fazli. "Wir sind auch mit Kameras in der Menschenmenge unterwegs. Wir werden jeden einzelnen, der Ärger macht, genau identifizieren. Sie werden sich zu gegebenem Zeitpunkt für das, was sie getan haben, verantworten müssen."
Die Botschaft ist klar: Jeder Widerstand gegen die Politik der Regierung ist zwecklos und wird als nationaler Verrat betrachtet. Es darf kein Zeichen der Schwäche gegenüber dem Druck durch die amerikanischen Strafmaßnahmen geben. Damit sich der Unmut in der Bevölkerung nicht organisieren kann, bleibt das Internet vorerst abgeschaltet. Die Regierenden versuchen ihren Bürgern Schweigen zu verordnen. Deren Unzufriedenheit mit der sich immer weiter verschlechternden Situation im Lande aber wächst.