Olaf Scholz reist zur Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds. Nicht nur er sorgt sich um die Weltwirtschaft. Doch im Flieger dreht sich (fast) alles um die Zukunft der SPD.
Man könnte so vieles fragen: zum Brexit, zu Trumps unmittelbar bevorstehenden Strafzöllen. Zu Facebooks Cyberwährung Libra, die noch immer jedem Experten Sorgenfalten auf die Stirn legt. Zum Klimapaket. Oder zur Schwarzen Null, immer gut. Es ist eng in der Kabine, 10.996 Meter über dem Atlantik, noch gut vier Stunden Flug bis Washington, mindestens. Der Finanzminister sitzt vor einem und kann nicht weg. Man könnte so vieles fragen. Tatsächlich gefragt wird Olaf Scholz: all das. Und antwortet wie immer: dies und das, überschaubar konkret, viel Neues erfahren die Fragenden nicht.
Der Parteivorsitz ist Thema gut 10.000 Meter über dem Meer
Die interessantesten Fragen sind gelegentlich die, die gar nicht gestellt werden. Oder nur zaghaft, weil kaum einer wagt, den Elefanten im Raum anzusprechen. Im Fall von Olaf Scholz: Wie geht es weiter? Mit seiner SPD? Und natürlich: mit ihm?
Seit vergangenem Montag dürfen die 430.000 SPD-Mitglieder ihre neue Parteispitze wählen. Am 26. Oktober soll das Ergebnis bekannt gegeben werden. Sicher ist nur: Es wird eine Doppelspitze, gebildet aus einem der sechs Teams, die nach dem parteiinternen Bewerbungsmarathon noch zur Wahl stehen.
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Scholz ist das politische Schwergewicht unter den Kandidaten. Der Einzige aus der allerersten Reihe der SPD. Einer von zweien, die in der ungeliebten GroKo mit am Kabinettstisch sitzen. Aber anders als Michael Roth, der sich auch nach Jahren als Staatsminister im Auswärtigen Amt problemlos unerkannt im Supermarkt vor der Kasse einreihen kann, ist Scholz mit seiner Kandidatur ein Risiko eingegangen.
Anders als Gesine Schwan, 76, und Norbert Walter-Borjans, 67, ist Scholz (61) nicht nur gefühlt fürs politische Altenteil noch etwas zu jung. Anders als die eher blass gebliebenen Mitbewerberinnen kann Scholz nicht darauf hoffen, Punkte für die Zukunft zu sammeln, allein weil er sich getraut hat anzutreten.
Und ganz anders als Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der Bundestagsfraktion, oder Boris Pistorius, Landesinnenminister in Niedersachsen, kann Scholz im Fall einer Abfuhr durch seine Partei auch schwerlich als Finanzminister und Vizekanzler einfach weitermachen. Und jedes Ergebnis unterhalb - mindestens - des Einzugs in die Stichwahl wäre eine Abfuhr.Bis zur Entscheidung bleibt alles offen
Man ahnt: Viel sagen will er dazu nicht. Es kommt der Hinweis, dass, wer sich zur Wahl stelle, dies bestenfalls in der Gewissheit tue, dass es sich um eine Wahl handele und nicht um einen Verwaltungsakt. Alles offen, nichts gewiss.
Die Tour durch Deutschland, 23 SPD-Regionalkonferenzen quer durch die Republik, habe er genossen und die Genossen auch - das Ganze habe einen zusammenschweißenden Effekt. Klingt wie Scholz’ Fazit zum Finale in München: Nicht zufällig seien alle Kandidatinnen und Kandidaten in derselben Partei, das neu entstandene Wir-Gefühl innerhalb der Sozialdemokratie sei hilfreich. Für die Partei. Und damit auch für Olaf Scholz und seine Mitbewerberin Klara Geywitz - wenn, ja, wenn ...
Olaf Scholz (SPD) besteigt den Flieger nach Washington
Quelle: ZDF/Klaus BrodbeckDer Finanzminister und Vizekanzler fliegt für drei Tage nach Washington. Der Politiker Olaf Scholz aber hängt fast zwei Wochen in der Luft. Ob dies wohl die letzte derartige Reise sei, wird einer seiner Vertrauten im Regierungsflieger gefragt? Breites Grinsen, Scholz' Umfeld gibt sich entspannt wie auch er selbst.
Wie war das noch auf der Abschiedsreise des Vorgängers, nach acht langen Jahren im Amt? "Isch over!", zitierte sich Wolfgang Schäuble damals selbst und spendierte Sekt. Von Olaf Scholz ist ein derartiger Spruch nicht zu erwarten. Und zum Anstoßen auf einen Sieg ist es deutlich zu früh.