Nachdem das Votum der Schotten 2014 knapp gegen die Unabhängigkeit ausfiel, soll es einen neuen Anlauf geben. Regierungschefin Sturgeon äußert außerdem harte Kritik an London.
Regierungschefin Nicola Sturgeon kündigte an, "in Kürze" einen entsprechenden Gesetzentwurf für ein neues Unabhängigkeitsreferendum vorzulegen. Durch das Brexit-Votum hätten sich die Voraussetzungen für die Schotten geändert, weshalb noch einmal über die Unabhängigkeit abgestimmt werden müsse.
Warten auf Grünes Licht
Sie erhoffe sich grünes Licht vom Parlament bis Ende des Jahres, sagte Sturgeon vor Abgeordneten in Edinburgh. Dann solle die Abstimmung noch vor Ablauf der Legislaturperiode im Mai 2021 und damit noch vor der nächsten Parlamentswahl ermöglichen. "Eine Wahl zwischen einem Brexit und einer Zukunft Schottlands als eine unabhängige europäische Nation sollte noch in dieser Sitzungsperiode angeboten werden", so Sturgeon.
Sie verband ihre Ankündigung mit harter Kritik an der Regierung in London. "Das Regierungssystem von Westminster dient schlicht nicht den Interessen Schottlands", sagte sie. "Der Status quo ist zerbrochen. Wir brauchen echten Wandel."
Sturgeon argumentierte, ein Austritt Schottlands zusammen mit den Briten gefährde die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. "Wir drohen ins Abseits gedrängt zu werden, an den Rand innerhalb eines Vereinigten Königreichs, das selbst zunehmend auf der internationalen Bühne am Rand steht."
Mit ihrem Zeitplan setzt Sturgeon darauf, dass der EU-Austritt Großbritanniens bis zum zweiten Unabhängigkeitsreferendum abgeschlossen ist. "Sich in eine unmittelbare Entscheidung zu stürzen, bevor über einen Weg für den Brexit entschieden wurde, würde keine fundierte Wahl ermöglichen." Zudem werde so keine "wertvolle Zeit" in Verhandlungen mit einer Londoner Regierung verschwendet, "die bald schon nicht mehr im Amt sein könnte".
Referendum nicht vor Brexit
Einige Unabhängigkeitsbefürworter hatten Sturgeon dazu gedrängt, sofort ein Referendum anzusetzen. Allerdings hatte die britische Premierministerin Theresa May klar gemacht, dass sie dem nicht zustimmen würde.
Die Schotten hatten sich im September 2014 bei einem Unabhängigkeitsreferendum mit einer Mehrheit von 55 Prozent für den Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen. Nach dem Votum der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union im Jahr 2016 entstand jedoch eine neue Lage, da die Schotten mehrheitlich für den Verbleib in der EU stimmten. Danach waren Rufe lauter geworden, erneut ein Referendum über die Unabhängigkeit abzuhalten.