Die GroKo setzt viele Versprechen aus dem Koalitionsvertrag um - das bescheinigt ihr eine Studie. Doch bei den Wählern kommen Merkel, Scholz & Co. dennoch nicht gut an.
Union und SPD haben sich gerade auf eine Verschärfung der Mietpreisbremse geeinigt, am Mittwoch soll das Kabinett die teilweise Entlastung beim Soli beschließen - zwei aktuelle Themen, die zeigen: Die Bundesregierung ist handlungsfähig. Obwohl die Große Koalition viele Vorhaben umsetzt, nimmt die Mehrheit der Bevölkerung das nicht so wahr. Das hat eine gemeinsame Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Wissenschaftszentrums Berlin ergeben.
Schneller in der Umsetzung
In den ersten 15 Monaten ihrer geplant vierjährigen Regierungszeit hat die Große Koalition seit September 2017 demnach 61 Prozent ihrer 296 Koalitionsversprechen umgesetzt oder angepackt. Gegenüber der vorherigen Legislaturperiode ist die GroKo in der Umsetzung ihrer Koalitionsversprechen nun nachweisbar schneller unterwegs als noch zwischen 2013 und 2017.
Die Macher der Studie sprechen von einer gar "rekordverdächtigen Halbzeitbilanz der amtierenden Bundesregierung". Gleichzeitig analysierten die Forscher die Ergebnisse einer Umfrage des Allensbach-Instituts, wonach nur noch zehn Prozent der Befragten glauben, "dass Parteien und Regierungen ihre Versprechen auch einlösen". Während 35 Prozent der Befragten vermuten, dass "etwa die Hälfte" aller Vorhaben umgesetzt wurden, so glauben ganze 44 Prozent, dass dies nur bei einem "kleinen Teil" oder "kaum welchen" der Fall sei.
Woher kommt dieser Widerspruch? Robert Vehrkamp, der bei der Bertelsmann-Stiftung zur Demokratie forscht, führt das auf eine schlechte Selbstdarstellung der GroKo zurück. Blickt man zurück, so straucheln Union und SPD schon lange durch Umfragetiefs, die zuletzt wahr gemacht wurden bei den schlechten Wahlergebnissen der Europawahl.
Widerspruch zwischen Schein und Sein
Hinzu kommen verworrene Personaldebatten oder verspätete und widersprüchliche Reaktionen auf öffentliche Kritik wie im Falle des YouTubers Rezo. Eine unsichere GroKo, die sich nur um sich selbst dreht - schon die misslungenen Verhandlungen für eine potenzielle Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl zeigten: Die GroKo war lediglich eine Ausweichlösung.
Trotz dieser Probleme entpuppte sich die Regierung dann schnell als Arbeitsregierung und begann zügig nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrages ihre Vorhaben in Gesetzestexte zu gießen und umzusetzen. Das bescheinigen ihr die Verfasser der Bertelsmann-Studie. Das Ergebnis kann sich - zumindest quantitativ - sehen lassen: 43 Prozent der Vorhaben sind bereits vollständig und vier Prozent teilweise umgesetzt. Weitere 14 Prozent befinden sich "im Prozess".
Quantität sagt nichts über Qualität aus
"Nur die Quantität sagt aber nichts über die Qualität der Vorhaben aus, die noch vor der GroKo liegen", sagt Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Deshalb sei es wichtig, auch inhaltlich auf die Aufgaben zu blicken, die noch vor der Großen Koalition liegen - so zum Beispiel bei den Themen Klima und Rente. Aus dem Koalitionsausschuss am Montag geht hervor, dass Union und SPD immerhin schon einen Zeitplan für ihre Klimabeschlüsse aufgestellt haben. Außerdem haben sie vereinbart, den Grundsatzstreit über die Bedürfnisprüfung bei der Grundrente in den kommenden Wochen lösen zu wollen. Dennoch: Die Differenzen sind bei beiden Themen nach wie vor enorm - und sie werden auch in der Öffentlichkeit ausgetragen.
Vorzeitiger Bruch nicht mehr wahrscheinlich
"Die Parteien müssen jetzt die politische Gewinn- und Verlustrechnung machen", sagt Bertelsmann-Wissenschaftler Vehrkamp. Union und SPD wollen im Herbst ihre eigene Zwischenbilanz vorlegen, um auf dieser Basis zu entscheiden, ob sie bis 2021 weiter zusammen regieren wollen. "Um jetzt aus der GroKo auszusteigen, bräuchte man allerdings schon eine gute politische Argumentation", meint Vehrkamp. "Jedenfalls reicht es nicht aus zu sagen: Unsere Regierung hat nicht funktioniert."
Mit einem Bruch der GroKo rechnen Experten aber mittlerweile nicht mehr. Und wenn die Regierung so weiter macht wie bisher, könnte sie - so die Prognosen - die Leistung der vergangenen Legislaturperiode sogar noch übertreffen.