Sind die Grünen populistisch wie die AfD? Diesen Vergleich hat der kommissarische SPD-Chef Schäfer-Gümbel gezogen. Inzwischen ruderte er etwas zurück.
"Die Grünen versuchen im Moment, alles Elend dieser Welt zu reduzieren auf die Frage des Klimawandels", sagte der kommissarische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel dem "Tagesspiegel". Die Strategie der Grünen sei genauso falsch wie die Politik der AfD, die die Migrationsfrage zum Übel der Welt erklärt habe. "Beides verkürzt Politik in grotesker Weise." Er warf den Grünen zudem vor, die soziale Frage in Deutschland sei ihnen "schnurzegal". "Es gelingt ihnen, im Moment gar keine Position mehr zu vertreten und sich so zum Objekt politischer Heilserwartungen zu stilisieren", kritisierte der SPD-Übergangschef. "Das wird spätestens dann klar werden, wenn die Grünen im Bund in politische Verantwortung kommen. Dann müssen sie konkret werden - und darauf sind sie nicht vorbereitet."
Gesprächsangebot angenommen
Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner schrieb Schäfer-Gümbel via Twitter: "Meinst du, so ein plumper Angriff hilft Euch weiter?" Er lud ihn zum Streit darüber ein, wie Soziales, Klima und Wirtschaft zusammen gebracht werden könnten. "Und der Vergleich mit der AfD ist schlicht unterirdisch", fügte er an.
Schäfer-Gümbel nahm die Einladung an und bestritt, im Interview einen Vergleich gezogen zu haben. "Es geht um Verkürzung von Komplexität", schrieb er. Manchmal sei man am Morgen nach einem Interview "erschrocken über die Überschrift und die Kritik daran". Die Grünen bereicherten den Staat durch gute Vorschläge. "Die AfD ist das absolute Gegenteil." Er habe ausdrücken wollen, dass man "nicht nur über den Klimawandel" diskutieren könne. "Genauso wenig wie es klug war, in den vergangenen Jahren nur über Migration zu diskutieren."
Trittin keilt zurück
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin warf dem Übergangschef der SPD daraufhin "faktenfreies Gelaber" vor. "Grotesk ist aktuell doch nur die verzweifelte Suche der SPD nach einem Ausweg aus der selbstverschuldeten Misere", sagte er dem "Tagesspiegel". Wenn die SPD eine stärkere Besteuerung von Großkonzernen in Europa verhindere, dürfe sie sich nicht wundern, wenn sie "nicht mehr als Kraft der sozialen Gerechtigkeit" wahrgenommen werde.
Der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sven Lehmann, wies Schäfer-Gümbels Kritik am sozialen Profil der Grünen zurück. Anstatt sich an den Grünen abzuarbeiten, sollte die SPD sich besser fragen, "warum ihr eigenes soziales Profil so verblasst ist", sagte Lehmann dem "Tagesspiegel". Im Gegensatz zur SPD wollten die Grünen Hartz IV überwinden und eine "würdevolle Garantiesicherung" schaffen. "Die SPD hingegen hält an Sanktionen und einer niedrigen Grundsicherung fest", sagte Lehmann.
Auch CDU/CSU arbeiten sich an den Grünen ab
Die Grünen sind nach ihren Wahlerfolgen der letzten Monate und angesichts ihres Umfragehochs zunehmend zur Zielscheibe der Kritik der anderen Parteien geworden. Auch die Union nimmt die erstarkte Konkurrenz zunehmend ins Visier. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte dem Magazin "Focus", die Grünen stünden "für Enteignungen, für höhere Steuern, für Blockaden in der Migrationspolitik". "Das ist das Gegenteil unserer Politik und dessen, was gut für Deutschland ist. Genau das werden wir entschieden herausstellen." Die Grünen würden sich mit "Floskeln" in der politischen Mitte aufstellen, aber in Bremen ein rot-rot-grünes Bündnis anstreben.
CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte dem "Focus", die Union werde die Grünen "in einer sachlich harten Auseinandersetzung bei allen Themen zwingen, Farbe zu bekennen. Wir werden zeigen, dass wir die bessere, nämlich die funktionierende Klimaschutzpolitik machen". Die Grünen seien zudem bei wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitspolitischen Themen "in der Realität ganz schwach", sagte Blume.