Der US-Pastor Andrew Brunson kann die Türkei verlassen, sein Hausarrest wurde aufgehoben. Der Fall hatte die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei seit Monaten belastet.
Quelle: ap
Nach einem schweren Zerwürfnis mit den USA kommt der seit rund zwei Jahren in der Türkei festgehaltene US-Pastor Andrew Brunson frei. Ein Gericht im westtürkischen Izmir ordnete am Freitag die Aufhebung des Hausarrests an. Auch die Ausreisesperre wurde aufgehoben. Brunson kann nun in die USA fliegen.
Festnahme hatte Verhältnis zur Türkei belastet
Die gleichzeitig verordnete Haftstrafe von drei Jahren, einem Monat und 15 Tagen muss er damit nicht antreten. Außerdem wird laut türkischen Medienberichten die bereits in Haft verbrachte Zeit angerechnet. Brunsons Anwalt Ismail Cem Halavurt sagte, er erwarte, dass sein Anwalt noch im Laufe des Freitagabends ausreisen dürfe.
Damit ist ein großer Schritt zur Entspannung der Beziehungen zwischen Washington und Ankara getan. Für die Türkei ist die Entscheidung zugleich eine gesichtswahrende und praktische Lösung für einen Konflikt, der das Land in eine schwere Währungskrise gestürzt hatte.
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Die Entscheidung dürfte das durch den Streit schwer erschütterte Vertrauen der internationalen Investoren und Märkte teilweise wieder herstellen und der angeschlagenen türkischen Wirtschaft ein Stück weit wieder auf die Beine helfen. Der Fall Brunson hatte ein schweres Zerwürfnis zwischen Washington und Ankara ausgelöst.
Trump verhängte Strafzölle und Sanktionen gegen die Türkei
Um die Freilassung des Pastors zu erreichen, hatte US-Präsident Donald Trump im August Sanktionen und Strafzölle verhängt, die Türkei reagierte mit Gegenmaßnahmen. Die türkische Lira brach daraufhin auf historische Tiefstände ein, die Währungskrise dauert auch Wochen später noch an. Auf die Entscheidung des Gerichts reagierte die Lira sofort mit einem Ausschlag nach oben.
Während des international mit Spannung verfolgten Gerichtstermins waren zentrale Zeugenaussagen in sich zusammengefallen. Wie die Zeitung "Hürriyet" am Freitag berichtete, zogen insgesamt drei Zeugen Aussagen zurück. Ein Zeuge zum Beispiel widerrief die Behauptung, dass ein syrisches Mitglied von Brunsons Kirchengemeinde Bomben für Terrorangriffe gebaut habe.
Ein dpa-Reporter im Gerichtssaal berichtete, wie sich Zeugen der Anklage in einem nachgerade bizarren Austausch gegenseitig widersprachen. Ein per Videoleitung zugeschalteter Zeuge sagte zunächst, er habe von zwei weiteren Zeugen gehört, dass in Brunsons Kirche Mitglieder der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und Anhänger der Gülen-Bewegung ein und aus gegangen seien. Sowohl die PKK als auch die Gülenisten gelten in der Türkei als Terroristen. Die betreffenden Zeugen gaben jedoch kurze Zeit später zu Protokoll, dass sie das doch wiederum selbst von dem ersten Zeugen gehört hätten.
Die USA hatten zuletzt den Druck auf die Türkei immer wieder erhöht und betont, wie wichtig Brunsons Freilassung für die US-türkischen Beziehungen sei. US-Außenminister Mike Pompeo hatte in der Nacht zum Donnerstag der Türkei erneut dringend angeraten, Brunson nach Hause zu schicken. Der US-Sender NBC berichtete einen Tag vor der Fortsetzung des Prozesses von einer geheimen Einigung zur Freilassung des Pastors - Washington bestätigte das jedoch nicht.
Pastor lebt seit mehr als 20 Jahre in der Türkei
Der 50-Jährige Brunson lebt seit mehr als 20 Jahren in der Türkei. Er war Pastor an einer evangelikalen Kirche in der Küstenmetropole Izmir, als er wenige Monate nach dem Putschversuch vom Juli 2016 in der Türkei festgenommen und dann im Dezember des selben Jahres in Untersuchungshaft genommen wurde. Ende Juli wurde er wegen Gesundheitsproblemen in den Hausarrest entlassen. Konkret wurde dem US-Pastor Unterstützung der PKK und der Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen vorgeworfen, den die türkische Führung für den Putschversuch verantwortlich macht. Die Staatsanwaltschaft warf Brunson zudem Spionage vor und hatte zunächst bis zu 35 Jahre Haft für ihn gefordert.
Viele Streitpunkte bleiben
- Seit dem gescheiterten Militärputsch von Juli 2016 verlangt die Türkei die Auslieferung des im US-Exil lebenden islamischen Predigers Gülen, den sie für den Umsturzversuch verantwortlich macht.
- Das Verhältnis wird auch durch die Inhaftierung des türkischen Bankers Mehmet Hakan Atilla in den USA belastet. Der Vizechef der halbstaatlichen Halkbank war im Mai von einem New Yorker Gericht wegen Verstößen gegen die Iran-Sanktionen der USA zu 32 Monaten Haft verurteilt worden.
- Neben dem Brunson-Prozess sorgt auch die Verfolgung mehrerer weiterer US-Bürger in der Türkei für Streit, darunter der Nasa-Wissenschaftler Serkan Gölge und mehrere Ortskräfte der US-Botschaft.
- Die Türkei ist ihrerseits verärgert über die Unterstützung der USA für die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien, die Ankara wegen ihrer engen Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Bedrohung ansieht.
- Die USA sind alarmiert über Pläne der Türkei zum Kauf von russischen Flugabwehrraketen vom Typ S400. Washington fürchtet eine Hinwendung ihres Nato-Partners zu Moskau.
- Wegen des Brunson-Prozesses und des Streits um die S400-Raketen setzte der US-Kongress im August die Lieferung von F35-Kampfflugzeugen an die Türkei aus. Ankara ist empört über die Entscheidung, da die Türkei seit Jahrzehnten an dem Programm zur Entwicklung des Kampfjets beteiligt ist.