Noch heute soll das Parlament in London den Brexit-Deal abnicken. Premier Johnson zeigt sich zu Beginn der Debatte mehr als optimistisch, dass sein Kurs Zustimmung findet.
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat zu Beginn der Brexit-Beratungen im Parlament für seinen Kurs geworben. Der Austritt aus der Europäischen Union werde den Weg für einen neuen Ansatz ebnen, sagte der Konservative. Großbritannien werde wieder seine eigenen Gesetze machen können - unabhängig von Brüssel.
"Heute werden wir das Versprechen, das wir den Menschen gegeben haben, einlösen", erklärte Johnson. "Nach Jahren der Verzögerung und des Grolls im Parlament werden wir Gewissheit schaffen." Unternehmen und die Menschen im Land "werden eine solide Grundlage haben, auf der sie für die Zukunft planen können".
Mehrheit gilt als sicher
Das Unterhaus, das den mit der EU ausgehandelten Vertrag zu den Scheidungsdetails mehrfach abgelehnt hat, soll an diesem Freitag gegen 15.30 Uhr (MEZ) erneut abstimmen. Es wird damit gerechnet, dass die konservative Regierung dieses Mal die Mehrheit bekommt, weil sie nach der jüngsten Parlamentswahl über eine deutliche Mehrheit verfügt. Damit wäre der Brexit in die Spur gesetzt. Endgültig in Kraft treten wird das Gesetz zum Brexit-Vertrag aber erst nach Weihnachten. Großbritannien will Ende Januar aus der EU austreten.
EU-Austritt Ende Januar
Johnson will Großbritannien am 31. Januar aus der EU führen. In der Übergangsphase bis Ende 2020 bleibt zunächst so gut wie alles beim Alten. Damit blieben elf Monate, um die künftigen Beziehungen zur EU samt einem Freihandelsabkommen zu verhandeln.
"Nächstes Jahr wird ein großartiges Jahr für unser Land", sagte Johnson. Doch Beobachter sehen das nüchterner. Aus Sicht vieler Experten ist das zu wenig Zeit.
Das Parlament war am Donnerstag feierlich von Königin Elizabeth II. wiedereröffnet worden - allerdings mit weniger Pomp als üblich.
Johnson verdankt seinen deutlichen Sieg in der vergangenen Woche insbesondere Wählern aus der Arbeiterschicht in den ehemaligen Labour-Hochburgen in Mittel- und Nordengland. Um sie zu locken, hatte er ein Ende der Sparpolitik angekündigt. Der Premier steht nun unter Druck, diese Versprechen - zum Beispiel Finanzspritzen für den staatlichen Gesundheitsdienst NHS und Schulen - auch einzulösen.
Gegenwind aus Schottland
Mächtig Gegenwind bekommt Johnson aus dem Norden Großbritanniens: Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte den Premier schriftlich auf, einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum zuzustimmen. Er sei dazu verpflichtet, schrieb die Politikerin. Ob eine Volksabstimmung in dem Landesteil stattfinden kann, entscheidet bislang die Zentralregierung in London. Johnson hatte Sturgeons Wunsch schon mehrfach abgewiesen. Die schottische Regierungschefin will das Referendum 2020 abhalten.
Was junge Briten denken:
Rund 55 Prozent der Schotten hatten sich 2014 bei einem ersten Referendum gegen eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich ausgesprochen. Sturgeon argumentiert jedoch, die Umstände hätten sich durch das Brexit-Referendum von 2016 verändert. Damals stimmte eine knappe Mehrheit der Briten für den EU-Austritt. Die Schotten votierten aber mit 62 Prozent gegen den Brexit.