Der Mord an einer Freiburger Studentin, die Festnahme eines Asylbewerbers - das löste Debatten über die Flüchtlingspolitik aus. Im Prozess gegen Hussein K. fällt heute das Urteil.
Drei Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Schöffen saßen an 24 Verhandlungstagen im großen Saal des Freiburger Landgerichts auf der Richterbank. Mehr als ein halbes Jahr dauerte der Prozess zum gewaltsamen Tod einer Studentin, der überregional große Beachtung fand. Bis ins kleinste Detail wurde der Fall aufgearbeitet.
Nun berät die Jugendkammer, vor der Hussein K. angeklagt ist, hinter verschlossenen Türen über ein Urteil. Es soll heute Vormittag verkündet werden.
19-Jährige auf dem Heimweg getötet
"Es war ein hochemotionaler Prozess", sagt Sebastian Glathe, Pflichtverteidiger des angeklagten Flüchtlings. Sein Mandant nahm äußerlich weitgehend regungslos daran teil. Die Anklage sieht es als erwiesen an, dass Hussein K. im Oktober 2016 in Freiburg die Studentin Maria L. vom Fahrrad gestoßen, vergewaltigt und ermordet hat. Die 19-Jährige war nachts allein auf dem Weg von einer Studentenparty nach Hause, als sie Opfer des Verbrechens wurde. Sie ertrank, nach der Vergewaltigung, im Wasser des Flusses Dreisam.
Hussein K. wurde rund sieben Wochen nach der Tat festgenommen. Spuren von ihm fanden sich am Tatort. Das Verbrechen in Freiburg löste - noch vor dem Terroranschlag von Anis Amri auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 - eine Debatte über die liberale deutsche Flüchtlingspolitik aus.
Prozess im Zeichen der Flüchtlingsdebatte
Unter diesem Eindruck stand auch der Prozess. Doch die Beteiligten schafften es, die Politik außen vor zu lassen. Sie konzentrierten sich auf den Fall und dessen juristische Aufarbeitung. "Es sitzt hier ein Straftäter auf der Anklagebank und nicht die Flüchtlingspolitik", sagte Oberstaatsanwalt Eckart Berger.
Im Zentrum der Beweisaufnahme stand, neben der Tat, das Alter des vor der Jugendkammer angeklagten Mannes. Hussein K. war im November 2015 ohne Papiere als Flüchtling nach Freiburg gekommen. Er gab an, 16 oder 17 Jahre alt sein und aus Afghanistan zu stammen. Überprüft wurden die Angaben nicht, wie Behördenvertreter vor Gericht einräumten. K. erhielt Unterstützung, lebte bei einer Pflegefamilie. Präzise Angaben zu seinem Alter machte er auch im Prozess nicht.
Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht?
Juristisch ging es um die Frage, ob Jugend- oder das in der Regel mit höheren Strafen verbundene Erwachsenenstrafrecht gilt, erläuterte die Vorsitzende Richterin Kathrin Schenk. Die Staatsanwaltschaft setzte auf mehrere Gutachten. Diese besagen, dass Hussein K. älter ist als 21. Dies hätte, wenn das Gericht den Gutachtern folgt, automatisch Erwachsenenstrafrecht zur Folge - und bei einer Verurteilung wegen Mordes eine lebenslange Haftstrafe. Zudem kann Erwachsenen, im Gegensatz zu Jugendlichen, Sicherungsverwahrung drohen.
Die Tat selbst ist unstrittig, betonten die Vertreter von Anklage, Nebenklage und Verteidigung in ihren Plädoyers. Das Geständnis von Hussein K., das er am zweiten Prozesstag im September vergangenen Jahres nach langem Schweigen abgelegt hatte, stieß schnell auf Widerspruch. Mit der Beweisaufnahme kamen auch neue Details an Licht.
Kriminelle Vorgeschichte
So hatte Hussein K. erklärt, sein Vater sei in Afghanistan im Kampf gegen die Taliban als Märtyrer gestorben. Später wählte die Richterin eine Telefonnummer auf dem Handy des Angeklagten - und erreichte den Vater, der nach eigenen Angaben in Iran lebt. Der Glaubwürdigkeit des Angeklagten war das nicht gerade zuträglich. Dazu äußerte er sich jedoch auch auf Nachfragen im Prozess nicht.
Wegen einer Gewalttat an einer jungen Frau im Jahr 2013 auf der Ferieninsel Korfu war Hussein K. in Griechenland zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, im Oktober 2015 aber vorzeitig gegen Auflagen entlassen worden. Er tauchte unter und kam nach Deutschland. Im Oktober 2016 ereignete sich der Mord an Maria L., der Hussein K. schließlich zurück ins Gefängnis brachte.